Buch­emp­feh­lung Zeit­ma­nage­ment – warum weni­ger oft mehr sein kann

13. Mai 2024 von Leonie Martin

“Es ist unmög­lich, alles zu tun, was wir wollen, aber wir können sicher­stel­len, dass wir das Beste aus unse­ren Erfah­run­gen machen.”

Julian‑G. Mehler

Julian‑G. Mehler empfiehlt:
4000 Wochen: Das Leben ist zu kurz für Zeit­ma­nage­ment” von Oliver Burke­man

In der heuti­gen Zeit ist es entschei­dend, sich im Dickicht aus Impul­sen, ToDos und Projek­ten zu fokus­sie­ren und gezielt Dinge umzu­set­zen. Dabei ist es wich­tig, nicht in einer endlo­sen ToDo-Liste zu versin­ken. Oliver Burke­man eröff­net in seinem Buch “4000 Wochen: Das Leben ist zu kurz für Zeit­ma­nage­ment” eine erfri­schend andere Perspek­tive auf das Thema, die sich von den übli­chen Tech­ni­ken und Produk­ti­vi­täts­an­lei­tun­gen abhebt. 

John Maynard Keynes sagte um 1930 voraus, dass der tech­no­lo­gi­sche Fort­schritt der kommen­den Jahr­zehnte die Arbeits­wo­che auf etwa 15 Stun­den redu­zie­ren würde. Dadurch hätten die Menschen mehr Frei­zeit für persön­li­che Erfül­lung.  Heut­zu­tage ist es unbe­strit­ten, dass die meis­ten Menschen nicht das Gefühl haben, dass alles in 15 Stun­den wunder­bar erle­digt werden kann. Selbst eine 4‑Tage-Woche ist in unse­rer Gesell­schaft umstrit­ten und die wenigs­ten haben das Gefühl, dass sie zu viel Frei­zeit haben. Trotz tech­no­lo­gi­scher Fort­schritte und gestei­ger­ter Produk­ti­vi­tät hat die Arbeits­be­las­tung nicht abge­nom­men und die erwar­tete Frei­zeit für viele nicht reali­siert – eher im Gegen­teil.   

Burke­man geht in seinem Buch „4000 Wochen oder die Aner­ken­nung der eige­nen Begrenzt­heit“ mit einer tief­grün­di­gen und oft kontrain­tui­ti­ven Perspek­tive der Frage nach, wie wir sinn­voll mit unse­rer begrenz­ten Zeit umge­hen können. Der Titel allein eröff­net den Kern: Sind wir uns ausrei­chend bewusst, dass das Leben endlich ist? Mit diesem Blick vor Augen hinter­fragt er, was wirk­lich wich­tig ist – und vor allem auch mach­bar. Seine klare und entschie­dene Spra­che zeigt seine Kompe­tenz und Exper­tise auf diesem Gebiet.

Der Autor des Buches formu­liert sechs Kern­punkte, die zu einem erfüll­ten Leben führen können:

Akzep­tanz der Begrenzt­heit der Zeit

Burke­man betont: unsere Zeit ist begrenzt und dies müssen wir zunächst aner­ken­nen. Statt gegen diese Begrenzt­heit anzu­kämp­fen, soll­ten wir sie akzep­tie­ren und uns auf die Dinge konzen­trie­ren, die wirk­lich wich­tig sind. Wir müssen bewusste Entschei­dun­gen darüber tref­fen, wie wir unsere Zeit verbrin­gen. Es ist unmög­lich, alles zu tun, was wir wollen, aber wir können sicher­stel­len, dass wir das Beste aus unse­ren Erfah­run­gen machen.

Quali­tät vor Quan­ti­tät

Der Autor reka­pi­tu­liert, dass die wich­tigs­ten Dinge im Leben Erfah­run­gen sind, die wir gemacht haben. Diese blei­ben auf Dauer. Das sind die sinn­vol­len Dinge. Um erfül­lende Erfah­run­gen zu sammeln, soll­ten wir uns auf eine klei­nere Anzahl von Akti­vi­tä­ten konzen­trie­ren und Prio­ri­tä­ten setzen. Ein tiefes Enga­ge­ment in weni­gen Unter­neh­mun­gen kann erfül­len­der sein als ein ober­fläch­li­ches Enga­ge­ment in vielen.

Konzen­tra­tion auf das Wesent­li­che ist der Schlüs­sel.

Eine der größ­ten Heraus­for­de­run­gen in unse­rem begrenz­ten Leben ist es, zu lernen, wie man Prio­ri­tä­ten setzt. Wir soll­ten uns darauf konzen­trie­ren, was wirk­lich wich­tig ist, und lernen, Nein zu sagen. Die weit verbrei­tete Angst, etwas zu verpas­sen („fomo“ = fear of miss­ing out) oder nicht alles zu errei­chen, soll­ten wir hinter uns lassen. Das gilt auch im Druck und Spie­gel der vielen Verglei­che in sozia­len Medien und unse­rem Umfeld. 

Es ist unmög­lich, alles zu schaf­fen

Ein zentra­ler Punkt des Buches ist die Erkennt­nis, dass es unmög­lich ist, alles zu tun, was wir tun möch­ten. Burke­man schlägt vor, dass wir lernen, mit der Unvoll­kom­men­heit unse­rer Bemü­hun­gen und der Unvoll­stän­dig­keit unse­rer Erfolge Frie­den zu schlie­ßen. Wir soll­ten uns nicht stän­dig unter Druck setzen, um mehr zu errei­chen und stän­dig nach Perfek­tion zu stre­ben. Diese Erkennt­nis erlaubt es uns, uns auf das Wesent­li­che zu konzen­trie­ren und den stän­di­gen Drang nach mehr und besser zu über­win­den.

Die Wich­tig­keit des Hier und Jetzt

Wich­tig ist das Leben im Moment und die Wert­schät­zung der Gegen­wart.
Ein sinn­vol­les Leben besteht oft darin, den gegen­wär­ti­gen Moment zu schät­zen, anstatt stän­dig nach zukünf­ti­gen Zielen und Errun­gen­schaf­ten zu stre­ben. Unsere Kultur fokus­siert sich häufig auf zukünf­tige Ziele und Erfolge, wodurch die Gegen­wart leicht über­se­hen oder unter­schätzt wird. Die stän­dige Zukunfts­ori­en­tie­rung kann uns davon abhal­ten, die aktu­el­len Erfah­run­gen und Freu­den des Lebens voll­stän­dig wahr­zu­neh­men und unsere begrenzte Zeit auf der Erde sinn­vol­ler und erfül­len­der zu gestal­ten und zu genie­ßen.

Kritik an Produk­ti­vi­täts­kul­tur

Das Buch kriti­siert die Obses­sion in Hinblick auf Produk­ti­vi­tät und Effi­zi­enz der Moderne und zeigt auf, dass ein Leben, das weni­ger auf Produk­ti­vi­tät ausge­rich­tet ist, para­do­xer­weise erfül­len­der sein kann. Der Autor argu­men­tiert, dass die stän­dige Jagd nach Produk­ti­vi­tät para­do­xer­weise dazu führen kann, dass wir weni­ger effek­tiv sind. 

Wenn wir stän­dig versu­chen, mehr zu erle­di­gen, können wir uns über­for­dert fühlen. Dies kann zu Stress, Burn­out und einer vermin­der­ten Fähig­keit führen, sinn­volle Arbeit zu leis­ten. Jedoch ist es wich­tig, einen realis­ti­sche­ren Ansatz im Umgang mit unse­rer Zeit und unse­ren Aufga­ben zu verfol­gen, um lang­fris­tig erfolg­reich zu sein. Wie oben argu­men­tiert, vermis­sen Leben, die sich ausschließ­lich auf Effi­zi­enz konzen­trie­ren, wich­tige mensch­li­che Erfah­run­gen und Freu­den. Indem wir uns erlau­ben, lang­sa­mer zu werden und Zeit für unpro­duk­tive Akti­vi­tä­ten wie Nach­den­ken, Bezie­hun­gen pfle­gen oder einfach die Welt um uns herum genie­ßen zu haben, führen wir ein reich­hal­ti­ge­res und erfüll­te­res Leben.

Fazit

Das Buch ist keine bloße Anlei­tung zur Stei­ge­rung der Effi­zi­enz, sondern eine tief­grün­dige philo­so­phi­sche Betrach­tung darüber, wie man ein sinn­vol­les Leben inner­halb der Gren­zen unse­rer zeit­li­chen Exis­tenz führen kann. Der Autor zeigt auf, wie man ein erfüll­tes Leben führen kann, ohne sich von der Fülle der Aufga­ben und Verpflich­tun­gen über­wäl­ti­gen zu lassen. 

Entge­gen dem ersten Eindruck ist das Buch weni­ger ein prak­ti­scher Leit­fa­den zur Stei­ge­rung der Effi­zi­enz, als viel­mehr eine philo­so­phi­sche Betrach­tung darüber, wie man ein sinn­vol­les Leben inner­halb der Gren­zen unse­rer zeit­li­chen Exis­tenz führen kann.

Ich selbst bin Anhän­ger der Idee von Getting Things Done und finde einige Zeit­ma­nage­ment-Metho­den span­nend und wert­voll für mich. Gleich­zei­tig kann ich sehr viel mit dem Gedan­ken Burkem­ans anfan­gen, die Haltung und Sicht darauf zu kali­brie­ren, was wir machen und was wirk­lich wich­tig ist. Das, was wir machen, sollte in Teilen auch effi­zi­ent gesche­hen – und da machen einige Zeit­ma­nage­ment-Metho­den sicher­lich Sinn. Aber bei der Aussor­tie­rung und Limi­tie­rung dessen, was wir über­haupt ange­hen, ist das Buch eine erfri­schende und lesens­werte Denk­hilfe.


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