Demo­kra­ti­sie­rung der Arbeits­welt

6. Februar 2015 von Steffi Leupold

Flache Hier­ar­chien, dienende Führung, parti­zi­pa­ti­ves Manage­ment – diese und viele weitere Schlag­worte beschrei­ben aktu­elle Verän­de­run­gen der Arbeits­welt. Einer Arbeits­welt, in der Menschen aus purer Begeis­te­rung ihr Bestes geben, Team­per­for­mance indi­vi­du­elle Mitar­bei­ter­ziele ersetzt und Mitar­bei­tende sich auf den Wochen­be­ginn statt aufs Wochen­ende freuen. Ob große Konzerne, kleine NGO oder Mittel­ständ­ler – vieler­orts deuten sich diese Verän­de­run­gen von Arbeits­kul­tur und ‑struk­tur an, mancher­orts sind sie schon umge­setzt. Die aktu­elle „Demo­kra­tie-Diskus­sion der Arbeits­welt“ kreist dabei um Fragen nach passen­den Unter­neh­mens­de­signs der Zukunft, einer nach­hal­ti­gen Unter­neh­mens­füh­rung und Inno­va­ti­ons­dy­na­mik von Orga­ni­sa­tio­nen.

Das gerade erschie­nene Buch „Manage­ment Y – Agile, Scrum, Design Thin­king & Co.“ greift genau diese Fragen auf und gibt einen guten Über­blick zum Thema, wie Zusam­men­ar­beit orga­ni­siert werden kann, um ein „mensch­li­che­res und erfolg­rei­che­res Arbei­ten im Betrieb“ zu ermög­li­chen. Unter­ti­telt mit „So gelingt der Wandel zur attrak­ti­ven und zukunfts­fä­hi­gen Orga­ni­sa­tion“ möchte es mehr sein als eine bloße Skizze der derzei­ti­gen Diskus­sion. Anhand von konkre­ten Beispie­len aus Unter­neh­men und Betrie­ben ermu­tigt und inspi­riert es Mitar­bei­tende und Manager*innen, Verän­de­run­gen anzu­ge­hen. Gerade die leben­di­gen Praxis­bei­spiele zeigen, was möglich ist bei der Neuge­stal­tung von Arbeits­wel­ten, was es letzt­lich für alle brin­gen kann und wie Führungs­kräfte und Mitarbeiter*innen diese Verän­de­run­gen aus ihren unter­schied­li­chen Perspek­ti­ven erfah­ren und bewer­ten.

„Manage­ment Y“ sucht Antwor­ten auf Fragen wie: Was macht ein „mensch­li­che­res und erfolg­rei­che­res Arbei­ten“ im Betrieb aus? Was heißt situa­tive und projekt­be­zo­gene Führung in der Praxis? Und wie gelingt es Unter­neh­men, zukunfts­fä­hig zu blei­ben in einem immer schnell­le­bi­ge­ren Umfeld und neuen Erwar­tungs­hal­ten von Ange­stell­ten? Struk­tu­riert, leser­freund­lich und leben­dig stel­len die Autor*innen Erkennt­nisse und prak­ti­sche Ideen aber auch Heraus­for­de­run­gen dar, die mit einem Wandel hin zu einer demo­kra­ti­sche­ren Arbeits­welt einher­ge­hen.

So kann Demo­kra­ti­sie­rung beispiels­weise bedeu­ten, dass Mitar­bei­tende entschei­den, wer sie führt und Führungs­kräfte somit „gewählt“ werden. Damit blei­ben Hier­ar­chien zwar bestehen, Führungs­kräfte werden jedoch „von unten“ legi­ti­miert. Demo­kra­ti­sie­rung kann auch heißen, dass Beschäf­tige selb­stän­dig hohe Budget­ver­ant­wor­tung tragen und neue Entschei­dungs­me­cha­nis­men alte „Top-down-Muster“ erset­zen. Schnell wird schon anhand dieser klei­nen Beispiele deut­lich: Es braucht ein großes Maß Vertrauen und ein Loslas­sen von lang geleb­ten Führungs­kon­zep­ten, die mit Macht und Status verbun­den sind. Es bedeu­tet einen menta­len Abschied vom „Manage­ment X‑Konzept“, das davon ausgeht, dass Mitar­bei­tende ange­wie­sen, ange­lei­tet und kontrol­liert werden müssen, damit sie gut arbei­ten. Dem setzen nun unter­schied­li­che Reform­an­sätze und Strö­mun­gen, die unter der Über­schrift „Manage­ment Y“ (in Anleh­nung an Theory Y und Gene­ra­tion Y) zusam­men­ge­fasst sind, etwas entge­gen, das die Autor*innen zusam­men­fas­sen mit „Augen­höhe statt Unter­ord­nung, Gemein­sinn statt Silo­den­ken, gemein­sam entwi­ckeln statt anord­nen.“

Gerade weil die Heraus­for­de­run­gen eines solchen Wandels schnell vorstell­bar und spür­bar werden, ist es hilf­reich, wie praxis­nah „Manage­ment Y“ aufzeigt, dass ein direk­ter Zusam­men­hang besteht zwischen der Poten­zi­al­ent­fal­tung von Mitarbeiter*innen, deren (Gestaltungs-)Freiheiten und der Inno­va­ti­ons­kraft eines Unter­neh­mens. Enge Führung und starre, hier­ar­chi­sche Entschei­dungs­pro­zesse, so die Autor*innen, können dazu führen, dass ein Produkt mit den Geschwin­dig­kei­ten des Mark­tes sowie tech­ni­scher Entwick­lun­gen nicht mehr mithal­ten kann. Statt­des­sen könn­ten nur agilere Systeme, die auf das Enga­ge­ment vieler setzen, nach­hal­tige Antwor­ten bieten auf das heutige Entwick­lungs- und Verän­de­rungs­tempo.

Das Buch ist anspre­chend gestal­tet mit vielen Fotos, Graphi­ken und Farben. Für mich ein inspi­rie­ren­des Arbeits­buch, das eine gute Zusam­men­schau unter­schied­li­cher Reform­an­sätze bietet und von der Anwen­dung neue­rer itera­tive und lösungs­of­fe­ner Heran­ge­hens­wei­sen wie Design Thin­king oder agiler Metho­den wie Scrum in der „wirk­li­chen Arbeits­welt“ berich­tet. Beson­ders ange­tan war ich von den Gedan­ken zur Arbeits­kul­tur „in der Menschen aus echter Begeis­te­rung ihr Bestes geben“, einer Arbeits­kul­tur, bei der es um Eigen­ver­ant­wor­tung, Vertrauen, Trans­pa­renz, Poten­zi­al­ent­fal­tung, Wert­schät­zung von Unter­schie­den, Mut zu heik­len Diskus­sio­nen und Feed­back als Schlüs­sel­ele­mente einer vita­len Orga­ni­sa­tion geht. Somit halte ich das Buch für eine wert­volle Lektüre sowohl für Ange­stellte und Führungs­kräfte eines Unter­neh­mens als auch für Berater*innen und ihre Arbeit als Change Manage­ment Expert*innen.

Fast zeit­gleich zum Buch erscheint der Doku­men­tar­film Auf Augen­höhe, der Ende Januar 2015 im Hambur­ger Museum der Arbeit Premiere gefei­ert hat und sich ähnlich wie das Buch mit neuen Formen von Arbeit, Orga­ni­sa­tion und Führung beschäf­tigt. Auch der Film ist ein leben­di­ges Zeug­nis, denn hier kommen Mitar­bei­tende und Manager*innen verschie­de­ner Unter­neh­men zu Wort, die kleine und größere Schritte hin zu der Neuge­stal­tung ihrer Arbeits­wel­ten gegan­gen sind.

Einige der im Film portrai­tier­ten Menschen haben ihre Erfah­run­gen mit persön­li­chen Beiträ­gen in das Buch „Manag­ment Y“ einge­bracht (u.a. Detlef Lohmann, Kars­ten Foth und Stefan Trut­hän) – und das ist kein Zufall ist, da die Idee zu dem Film „Augen­höhe“ in einem Work­shop entstand, zu dem der Mitau­tor Ulf Bran­des bei seinen Recher­chen für das Buch einge­la­den hatte. Ulf Bran­des bringt die Verbin­dung zwischen Buch und Film so auf den Punkt: „Der Film soll Lust machen auf Augen­höhe statt Unter­ord­nung, Gemein­sinn statt Silo­den­ken, gemein­sam entwi­ckeln statt anord­nen — und das Buch beschreibt, wie Pioniere das für ihr Unter­neh­men entwi­ckelt haben.“

Eben­falls span­nend dürfte die Konfe­renz „Das demo­kra­ti­sche Unter­neh­men – Aufbruch in eine neue Huma­ni­sie­rung der Arbeits­welt“ werden, die am 12. Februar 2015 an der TU München statt­fin­det.

Manage­ment Y – Agile, Scrum, Design Thin­king & Co: So gelingt der Wandel zur attrak­ti­ven und zukunfts­fä­hi­gen Orga­ni­sa­tion (Ulf Bran­des, Pascal Gemmer, Holger Koschek, Lydia Schült­ken, Campus Verlag, 2014, ISBN978‑3–593-50158, www.management‑y.de)