Gibt es ein „gutes“ Home Office in Zeiten von Kontaktsperre – ohne und mit Kindern?
1. April 2020 von Desiree Bösemüller
Bei denkmodell sieht die Realität in den Home Offices sehr unterschiedlich aus: Einige Kolleg*innen versuchen mit Kindern zu Hause eine Art von Alltag zu etablieren (konkret also eine Stadtwohnung in Schule, Kita, Arbeitsplatz und Kuscheloase gleichermaßen umzubauen); andere wohnen allein oder mit Partner*in. Die Herausforderungen sind also sehr unterschiedlich. Im folgenden Artikel haben wir unsere Best Practices zusammengestellt – von Zuhause für Zuhause.
Was wir dabei vorausschicken möchten, wenn wir hier Tipps teilen oder Empfehlungen geben: Niemand von uns glaubt, dass Home Office „einfach“ ist – niemand von uns weiß, wie es „richtig“ geht. Was wir aber gerne teilen, sind einige Erfahrungen, die vielleicht anderen auch nutzen können.
Home Office – Einen Arbeitsplatz einrichten
Egal, ob mit oder ohne Kind im Home Office: Ein fest installierter Arbeitsplatz hilft. Nach Möglichkeit ist dieser nicht im Schlafzimmer installiert, das kann Schlafprobleme verursachen. Ein ruhiger Ort ist ideal. Nicht immer ist das gerade möglich – das ist uns sehr bewusst.
Gut ist, auch am Arbeitsplatz so viel Tageslicht wie möglich zu haben. Expert*innen empfehlen, den Arbeitsplatz seitlich entlang des Fensters aufzustellen, damit die Sonne weder durch Blenden (direkt vor dem Fenster) noch durch Spiegelungen (mit Rücken zum Fenster) müde Augen hervorrufen kann. Sollte das mit dem Tageslicht nicht machbar sein, gibt es auch sogenannte Tageslichtlampen in unterschiedlichen Formen und Varianten.
Wichtig ist, gerade wenn Home Office, eine „Dauerlösung“ ist, auf Ergonomie des Arbeitsplatzes zu achten. Ein höhenverstellbarer Bürostuhl und ein Schreibtisch in angenehmer Höhe (~10 cm Platz zwischen Tischplatte und Oberschenkel) gehören dabei zur Grundausstattung. Viele Kolleg*innen haben bei uns darüber hinaus einen weiteren Bildschirm im Home Office. Sie arbeiten gern im Stehen? Es gibt unterschiedlichste Stehschreibtisch-„Aufsetzer“, hier ein Beispiel. Klar, aktuell ist kein Möbelhaus geöffnet – machen Sie das, was aktuell möglich ist.
Im Home Office effektiv Arbeiten – Best Practices für Personen ohne Kinder
Im Home Office sind die Ablenkungen vielleicht andere als im Großraumbüro, aber: Es gibt sie, die Ablenkungsfallen. Zuhause arbeiten bedeutet für uns daher: Routinen, Routinen, Routinen… Und auch Klarheit darüber, wann ich arbeite und wann nicht.
Der Start in den Tag
Für viele scheint das größte Problem im „überhaupt erstmal Anfangen“ zu liegen. Wir empfehlen: Zur gleichen Zeit aufstehen, ggf. duschen, meditieren, etwas Essen, etc. – dann aber ran an den Schreibtisch! Versuchen Sie einfach zur sonst üblichen Zeit am Bürotisch zu sitzen.
Viele raten dazu, sich nicht in Jogginghose oder Schlafanzug an den Schreibtisch zu setzen. Es muss nicht die übliche Arbeitskleidung sein (insbesondere wenn es hier um Anzüge etc. geht), die Kleidung sollte Sie aber auch nicht ständig an ihre schönsten Ausruh-Sonntage auf der Couch erinnern. Finden Sie für sich ein gutes Mittelmaß und: Kleiden Sie sich so, dass Sie für eine spontane Videokonferenz bereit sind.
Um den Start in den Tag zu vereinfachen und Kolleg*innen mit Kindern entgegenzukommen, haben wir bei denkmodell einfach unser „daily“ auf 9.30 Uhr vorverlegt. Normalerweise findet unser tägliches Teamupdate mittags um 12.30 Uhr vor der Pause statt. Nun treffen wir uns täglich von 9.30 Uhr bis maximal 10.00 Uhr virtuell via Zoom, verteilen anstehende Projekte, besprechen aktuelle Informationen und singen ggf. für ein Geburtstagskind noch ein kleines Ständchen. Spätestens danach starten alle in den (Arbeits!)Tag.
Von anderen Organisationen wissen wir, dass sich manche Mitarbeitende zum digitalen Co-Working treffen, d.h. viele stellen einfach die Kamera an beim Arbeiten. Diesen Personen hilft es, andere beim Arbeiten zu sehen. Auf Instagram gibt es mittlerweile Influencer*innen, die dieses virtuelle Co-Working zu bestimmten Uhrzeiten anbieten – beispielsweise zwei Stunden am Morgen gemeinsam jeweils 25 Minuten konzentriertes Arbeiten und 5 Minuten Pause, in denen dann Fragen gestellt oder Interviews geführt werden.
Fazit: Es gibt vielerlei Möglichkeiten. Schaffen Sie sich eine Routine, die zu Ihnen passt und die Sie möglichst wenig ablenkt.
Feste Strukturen & To-Do‘s
Für das Home Office sind ein fester und enger Zeitplan oft wichtiger als im Büro. Wir empfehlen, schon am Abend zuvor den nächsten Tag zu planen. Nehmen Sie sich dafür ca. 15 Minuten Zeit. Das sollte das letzte Arbeits-To-Do des Tages sein.
Außerdem starten wir gern mit einem kleinen Erfolgserlebnis in den Tag. Sollte es also eine Aufgabe geben, die zwischen 15 und 30 Minuten dauert und leicht „abzuhaken ist“, dann schieben Sie diese an den Tagesanfang – und starten so mit einem guten Gefühl in den Tag.
Ansonsten empfehlen wir das Achten auf den eigenen Biorhythmus. Gehören Sie zu den Frühaufsteher*innen? Dann nutzen Sie die ersten Stunden des Tages in jedem Fall für konzentrationsintensive Aufgaben und das Mittagstief für das Abarbeiten von Mails. Bei Menschen, die eher zu den Eulen (also den Nachtarbeiter*innen) gehören, empfehlen wir die Fokuszeiten eher in den Nachmittag zu legen.
Um nicht in die „Ich habe den ganzen Tag Zeit-Falle“ zu tappen empfehlen wir einige zentrale Mechanismen zum Zeitmanagement: Nehmen Sie sich insgesamt nicht mehr als 3–5 große Aufgaben pro Tag vor. Und halten Sie sich an Mark Twain: „If it’s your job to eat a frog, it’s best to do it first thing in the morning. And if it’s your job to eat two frogs, it’s best to eat the biggest one first.” Keine Aufschieberitis! Auch nicht im Home Office. Fangen Sie mit der unangenehmsten Aufgabe an, dann haben Sie diese hinter sich. Formulieren Sie ihre To-Dos möglichst positiv (gewünschtes Ergebnis, negative Wörter/Verneinungen vermeiden) und konkret (gern mit einem Verb), das hilft bei der Umsetzung. Also beispielsweise statt „Konzept Beratung“ einfach „Ideen zu virtuellen Methoden sammeln“ und „erste Abläufe für einen virtuellen Workshop entwickeln“, „Abläufe mit Kolleg*innen teilen und weitere Ideen sammeln“, „feinschleifen des Ablaufs“ und „testen mit Kolleg*innen“.
Noch ein ganz wichtiger Hinweis: Sollten Sie gerade mit der Arbeit beginnen und Ihnen ausgerechnet in diesem Moment einfallen „Ach ich wollte doch noch staubsaugen.“ – haben Sie immer einen Stift und ein Papier neben Ihrem Schreibtisch (oder eine App) und notieren Sie alle diese To-Dos sofort; und zwar, ohne sie tatsächlich zu erledigen. Dieses „Vergnügen“ kommt dann nach der Arbeit. Werfen Sie gern einen Blick auf unseren Blogartikel zur Getting Things Done Methode.
Arbeitszeiten und Pausen
Vielleicht fehlt Ihnen das Geräusch der Kaffeemaschine im Home Office, das bei Ihnen den automatischen Pausen-Weckruf auslöst? Dann stellen Sie sich doch Zuhause einfach einen Timer oder Wecker und machen dann spätestens nach jeweils 90 Minuten eine Bio-Pause. Nutzen Sie diese Pausen, um sich zu bewegen. Gehen Sie kurz auf und ab (im besten Fall auch mal vor die Tür oder auf den Balkon – frische Luft tut gut! Bewegen Sie Ihren Kopf‑, Hals- und Schulterbereich. Fünf einfache und zugleich praktische Bewegungsabläufe finden Sie beispielsweise hier. Ganz ohne Schwitzen – versprochen!
Planen Sie außerdem feste Mittagspausen. Sollten Sie es nicht ohnehin schon tun, wäre es ggf. hilfreich, sich auch bzgl. des Mittagessens schon am Vortag einen Plan zu machen. Damit die Mittagszeit zur Lust und nicht zum Frust wird. Mittlerweile gibt es in vielen Unternehmen Chat-Gruppen oder Slack-Kanäle in denen die Mitarbeiter*innen ihre Lunchmahlzeit posten, andere kochen sich daheim etwas und treffen sich dann virtuell zum gemeinsamen Lunch. Essensbestellungen sind in Zeiten von Corona vielleicht sogar nicht nur praktisch und lecker, sondern helfen auch Ihren Lieblingsrestaurants diese Zeiten zu überstehen.
Und zu guter Letzt: Legen Sie schon das Ende Ihrer Arbeitszeit fest und halten Sie dieses ein! Meist geht das am besten, wenn Sie sich abends mit Freund*innen oder der Familie zum (virtuellen) Treff verabreden oder eines der vielen Abendprogramme im Internet wahrnehmen! Da wir bei denkmodell oft im Home Office arbeiten, tragen wir für alle sichtbar in einen Kalender ein, von wann bis wann wir erreichbar sind. Andere Unternehmen nutzen dafür Slack-Kanäle oder einfach eine E‑Mail.
Ruhe – in Innen und Außen
Manche brauchen bei der Arbeit vollkommene Ruhe – hier empfehlen sich Noice Cancelling Kopfhörer oder Ohrstöpsel. Andere wiederum hören konzentrationsfördernde Musik oder auch Tide (hier gibt’s unter anderem das Schnurren einer Katze). Bei mir hilft oft der Klang von Regen. Aber Achtung: Allein Zuhause sitzen und stundenlang dem Regen lauschen, kann auch einsam oder traurig machen. Wie immer gilt: Schauen Sie, was zu Ihnen passt und Ihnen am meisten hilft in eine konzentrierte Arbeitsphase einzutauchen.
Für die innere Ruhe hilft es, das Handy in den Flugmodus zu schalten und in der Arbeitszeit auf das Lesen von Chats, Instagram-Stories etc. zu verzichten. Sie können dabei Nachrichten aus bestimmten Apps oder Kanälen zulassen, z.B. Slack über Ihren PC (Web-App) nutzen.
In Zeiten der Krise wird empfohlen, nur zweimal täglich Nachrichten (also Updates rund um Corona) zu konsumieren.
Weitere Hacks
Für das eigene Wohl empfehlen wir: Trinken Sie ausreichend Wasser! Stellen Sie sich ein Glas Wasser auf den Tisch und füllen es spätestens nach 90 Minuten auf. Das dient Ihnen als Erinnerung.
Die nächsten Tage werden vielleicht nicht immer einfach. Denken Sie an die eigene Leichtigkeit und bauen Sie sich freudvolle Momente in den Arbeitsalltag. Überlegen Sie sich ggf. eine kleine Belohnung für erledigte Aufgaben oder das Tagesende. Dabei kann eine Belohnung auch ein kurzer Schnack mit Ihrer*m Kolleg*in sein – gemeinsame Kaffee- oder Teepausen mit einem persönlichen, informellen Austausch sind vielleicht energiestiftender als der Schokoladenriegel.
Und wenn es mal einen Tag gibt, der irgendwie nicht anfangen und nicht enden will: Machen Sie einfach etwas! Manchmal kommt die Motivation oder Inspiration beim Tun. Einfach loslegen, egal wie, egal womit.
Tun Sie sich außerdem einen Gefallen: Sitzen Sie nicht den ganzen Tag vor dem PC. Planen Sie bewusst offline Zeiten (zum Bücher lesen, Podcast hören, …) ein.
Home Office mit Kindern
Das Home Office mit Kindern ist eine Liga für sich. Bei denkmodell gibt es viele Mitarbeiter*innen, die gerade daheim Arbeit, Haushalt und Kinderbetreuung unter einen Hut bringen müssen. Dabei gibt es unterschiedliche Herangehensweisen:
Struktur mit den Kindern
Die meisten versuchen gemeinsam mit den Kindern Wochen- und Tagespläne aufzustellen. Unsere Berater*innen nutzen dabei vor allem die volle Vielfalt an bunten Post-Its und Visualisierungstricks, um die Planung etwas abwechslungsreicher und zugleich für alle sichtbar zu gestalten.
Ein paar arbeiten sogar mit einem Kanban-Board. Die Spalten haben dann Überschriften wie… Was könnten wir heute machen („Backlog“) / Was wir heute machen („To-Do & Doing“) / Was haben wir heute gemacht? („Done“). Andere erstellen mit Post-Its und Krepp-Band Excel-artige Übersichten an der Wohnzimmerwand. Dann werden den jeweiligen Familienmitgliedern To-Dos zugeordnet. Das klingt jetzt strukturierter als es in Wirklichkeit ist. Wir machen die Erfahrung: Die Kindern finden es klasse zu wissen, was gerade dran ist. Ihnen fehlt ja auch die feste Struktur aus Kita und Schule – und sie können dann auch für sich „planen“, wann die Eltern wirklich für sie da sind und wann sie arbeiten.
Arbeitszeiten und Pausen
Für die anderen Teammitglieder ist die Information, wann Personen mit Kindern im Home Office erreichbar sind und wann nicht, natürlich sehr wichtig. Bei denkmodell haben wir uns dazu entschieden unsere Meeting-Termine an Zeiten anzupassen, die für Eltern am ehesten machbar sind. Die virtuelle Team-Inforunde sollte bei uns außerdem nicht länger als 60 Minuten dauern. Gestalten Sie die Mittagszeiten mit Kindern aktiv. Tipps für Gerichte mit einer Zubereitungszeit von unter 30 Minuten werden gerade dankend entgegengenommen. Bei Familien mit älteren Kindern übernehmen diese auch schon mal die Familienversorgung – können sich ausprobieren, tragen etwas bei und sind „ganz nebenbei“ auch noch bestens beschäftigt.
Weitere Hacks
Sollten Sie sich die Kinderbetreuung mit einer Person teilen, verabschieden sich manche Elternteile sogar von Ihren Kindern, wenn sie an den Arbeitsplatz im Home Office gehen. Es wird quasi ein „Ich gehe zur Arbeit. Tschüss!“ simuliert, damit eine einigermaßen störungsfreie Zeit sichergestellt ist und die Kinder einen spürbaren Unterschied vermittelt bekommen.
Auch mit Kindern ist auf Belohnungen und freudvolle Zeiten zu achten! Was können Sie sich selbst und Ihren Kindern Gutes tun? Vielleicht ist das sogar eine kurze gemeinsame Meditation mit den Kindern – kostenlose Kindermeditationen gibt es beispielsweise aktuell auf 7mind.de.
In unserem informellen denkmodell-Chat wurden Kinderbetreuungs-Ideen geteilt, die wir gern auch an Sie weitergeben: Tipps der SZ, Albas tägliche Sportstunde oder Homeschooling Impulse.
Vor allem aber: Streichen Sie zu hohe Erwartungen an sich selbst und hinterfragen Sie den eigenen Perfektionismus! Kommunizieren Sie auch in Ihr Team (insofern Sie sich damit wohl fühlen), wenn es mal zu viel wird. Wie und welche Unterstützung Sie aus dem Team gebrauchen könnten: #weareinthistogether
Wer noch mehr Inspiration gebrauchen kann:
- Der t3n Home-Office Guide mit weiteren wichtigen Hinweisen zu Ergonomie und Infrastruktur
- Tipps von Margarete Stokowski mit erfrischenden Überlebenstipps
- Für die Eltern unter den Leser*innen empfehlen wir die Storys und Story-Highlights des ooshi-Instagramkanals
Wir sind auf Ihre weiteren Best Practices und Überlebens-Hacks gespannt! Lassen Sie uns auch gern wissen, welche Fragen oder Herausforderungen Sie gerade beschäftigen. Wir freuen uns über den virtuellen Austausch.