Interaktion, Tiefgang und knappes Zeitbudget mit 120 Teilnehmenden. Geht das?
1. Dezember 2016 von Steffi Leupold
Große Veranstaltungen wie Kongresse, Tagungen oder Konferenzen stehen oft vor einer scheinbar unlösbaren Herausforderung: Wie kann es gelingen, Themen nicht nur möglichst detailliert, sondern auch mit großer Teilhabe der Teilnehmenden zu besprechen? Dabei gibt es häufig zwei scheinbar gegensätzliche Formate: Das „altbekannte“ Aneinanderreihen von PowerPoint-Präsentationen ermöglicht Wissensvermittlung und gibt Expert*dinnen eine Bühne. Interaktive Formate ermöglichen Austausch und Begegnung, müssen sich aber gegen den Vorbehalt behaupten, nicht alle Information gleichermaßen mit allen Teilnehmenden zu teilen.
Herausforderungen einer Großgruppenmoderationen
Geht denn nicht beides auch zusammen? Interaktion, voneinander Lernen und gemeinsames Arbeiten und gleichzeitig die Sicherstellung von inhaltlicher Tiefe und gleichmäßiger Teilhabe? Für eine internationale Konferenz, den 14th International Dialogue on Population and Sustainable Development, die denkmodell mitgestalten und moderieren durfte, kamen im November 2016 120 Teilnehmende aus 41 Ländern nach Berlin. Darunter Vertreter*innen von staatlichen Institutionen, internationalen Organisationen, NGOs, Wissenschaft und dem Privatsektor. Der Wunsch der Organisatoren an uns: finden Sie ein interaktives Format, das den Teilnehmenden ermöglicht, sich mit zehn umfangreichen Themen auseinanderzusetzen. Ziel sollte sein, sowohl Wissen und Informationen zu vermitteln als auch in Austausch und Diskussion zu treten, um neue Erkenntnisse und Fragen zu sammeln.
Rotating Discussion / Stationengespräch – eine Methode für Interaktion & inhaltlichen Tiefgang
Die Methode der Wahl lautete diesmal Stationengespräch – auch unter dem Namen „Rotating Discussion“ bekannt. Damit dies auch in so großer Teilnehmerzahl nicht in unendliche Gruppenfindungsprozesse mündet, hatten wir bereits im Vorfeld 10 Gruppen gebildet und diese entsprechend auf den Namensschildern kenntlich gemacht. So fand jede*r eine Zahl zwischen 1 und 10 auf seinem*ihrem Schild. Hier ist je nach Kontext natürlich auch eine farbliche oder grafische Unterscheidung möglich. Nun gab es 10 „Stationen“, die sowohl im Plenumsraum als auch in fünf weiteren Räumen verteilt waren. Alle Stationen waren deutlich beschriftet und zusätzlich wies ein Raumplan den Weg. Jede Station wurde von einem*r Experten*in betreut die jeweils zu Beginn der Sequenz einen kurzen Input zum Thema gab und im Anschluss Fragen klärte, die Diskussion leitete und zugleich wichtige Ergebnisse visualisierte. Um den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, sich mit möglichst vielen der 10 Themen auseinander zu setzen, erklang nach 30 Minuten ein Signal (Glocke) und die Gruppen rotierten zur nächsten Station. Hier gab es zunächst wieder einen Input, dann stellte der Gastgeber anhand der visualisierten Ergebnisse vor, was die vorherige Gruppe bereits diskutiert hatte. Die neue Gruppe hatte nun die Chance, das bereits Zusammengetragene zu kommentieren und ihre Antworten zu ergänzen. So konnten wir insgesamt drei Runden durchführen.
Visualisierungen und Ergebnisse erfahrbar machen mit einem Galerienrundgang
Jetzt haben noch immer nicht alle Teilnehmenden zu allen Themen gearbeitet? Ja, das stimmt und ist bei 10 Themen interaktiv in so kurzer Zeit auch nicht sinnvoll machbar. Um dennoch breite Teilhabe zu ermöglichen, brachten im nächsten Schritt alle ihre visualisierten Ergebnisse in das Plenum, wo die Poster ausgestellt wurden. So hatten alle Teilnehmenden Gelegenheit, einen Galerienrundgang zu machen und zu lesen, was die anderen Gruppen diskutiert hatten. Die zehn Gastgeber*innen der jeweiligen Stationen stellten sich noch einmal als Ressourcepersonen zur Verfügung und konnten so neben ihren Postern Fragen beantworten und Ergebnisse vorstellen. Abschließend haben wir als Moderatoren der Konferenz einige Eindrücke der Teilnehmenden eingesammelt, und so die Sequenz abgerundet. Dafür standen wir mit Mikrofonen direkt in der Postergalerie, liefen durch die Besucherschaft und sammelten die Stimmen derjenigen ein, die gern ihre Beobachtungen, Eindrücke und Erkenntnisse teilen wollten.
Das Feedback der Teilnehmenden im Nachgang des Stationengesprächs war sehr positiv. Hervorgehoben wurden die Möglichkeit, sich innerhalb kurzer Zeit mit mehreren Themen auseinander zu setzen und dabei mit Expert*innen und Teilnehmenden in direkten Austausch zu gehen. Ein weiterer Vorteil gegenüber einem Vortrag zum Thema: Jede Diskussionsrunde war anders (und kurzweilig) gestaltet, so dass Konzentration und Aufmerksamkeit gewahrt werden konnten.
Unser Fazit: Die Mühe lohnt sich! Auch wenn die Vorbereitung solcher Formate umfangreich ist – muss man doch geräumige Konferenzräume zur Verfügung stellen, Expert*innen finden und briefen, ausreichend Moderationsmaterialien vorhalten, Namensschilder, Wegweiser & Co präparieren – die große Zufriedenheit der Teilnehmenden spricht für sich. Auch die Expert*innen, die eine anspruchsvolle Rolle hatten, äußerten sich positiv und fanden den direkten Austausch mit den Teilnehmenden spannend, fruchtbar und erkenntnisreich. Interaktion lohnt sich – und bedeutet keinesfalls den Verlust inhaltlicher Tiefe.