Motivation per Email-Kommunikation?
16. Januar 2014 von David Koschel
„Unsere Chefs kommunizieren eigentlich immer nur per Email.“ Diese Antwort höre ich mehrfach auf die Frage, wie denn der Austausch und die Kommunikation im Büro funktioniere. Das Büro meines Kunden ist überschaubar: eine kleine Berliner Firma, in der alle fünf Mitarbeitende in einem Großraumbüro zusammensitzen – Geschäftsführung inklusive. Dass die Kommunikation durch die Chefs vornehmlich per Email stattfindet, ärgert die Mitarbeiter*innen. Zumal der Kommunikationsstil der beiden sehr unterschiedlich ist: Während die Email-Anweisungen des einen Vorgesetzten selten aus mehr als zwei Zeilen bestehen und bei den Empfänger*innen häufig mindestens so viele Fragen aufwerfen wie erklären, verpackt der andere Geschäftsführer detaillierte Anweisungen für Projekte in bildschirmfüllende Emails. Hier bleiben dann zwar keine Fragen zurück, die Möglichkeiten des eigenständigen Denkens und Ausgestaltens sind jedoch auf ein rein ausführendes Minimum reduziert. Was die zwei Kommunikationsstile verbindet: Sie demotivieren.
Als Berater kann ich nun auf zwei Dinge schauen, um die bürointerne Kommunikation zu verbessern: a) auf die Technik des effektiven Delegierens oder b) auf die Wahl des Mediums. Ich habe mich in diesem Fall für letzteres entschieden. Und dass nicht, weil ich den Nutzen und die Vorteile digitaler Kommunikation hinterfragen möchte – das war vor 20 Jahren. Es ist mir jedoch ein Anliegen einmal hinzuschauen, was den beiden Chefs im Berliner Kleinunternehmen verloren geht.
Welche Chancen nehme ich mir mit einer Email über fünf Meter Luftlinie?
- Unmittelbare Rückkopplung: Beim Versand einer Email sehe ich nicht, ob mein*e Kollege*in mein Anliegen verstanden hat. Im direkten Gespräch kann ich zudem den notwendigen Detailgrad eines Arbeitsauftrags schneller erkennen, da mein*e Gegenüber direkt nachfragen kann.
- Zugewandt sein: Ein Gespräch erfordert im Normalfall zwingend, den*die Gegenüber im Blick zu haben. Eine Email lässt sich auch Rücken an Rücken schreiben. „Der*die Chef*in kommt zu mir und beschäftigt sich mit mir!“ mag in manchen Büros ein seltenes Vorkommnis sein – die Geste allein ist zunächst einmal wertschätzend.
- Lächeln oder Achselzucken: In einer Email gehen nonverbale Signale der Kommunikation flöten. Gerade diese enthalten aber häufig extrem wichtige Informationen. Kein „:-)“ dieser Welt ersetzt ein reales Lächeln, kein „????“ eine aufrichtiges Achselzucken, dessen Wurzel sich dann genauer erörtern lassen (nicht verstanden, überfordert, unwillig…).
- Bewegung: Es mag banal anmuten und dennoch: Durch direkte Kommunikation beherzige ich den Rat des Orthopäden, nicht stundenlang durchgehend vor dem Bildschirm zu kauern. Zwei bis drei Spaziergänge zu Kolleg*innen sind zwar kein Ausdauersport, bringen aber dennoch andere Schwingungen ins Büro.
Damit ist nicht gemeint: Rennen Sie täglich mehrfach und ohne Rücksicht auf konzentrierte Arbeitsatmosphäre durchs Büro und kommunizieren wahllos und möglichst geräuschvoll. Nein. Selbst über fünf Meter Luftlinie können Emails durchaus Sinn machen: Sie ermöglichen uns, jemanden nicht durch permanente Unterbrechungen aus der konzentrierten Arbeit zu reißen, erleichtern (wenn gut genutzt) effektives Zeitmanagement und erlauben zudem einen späteren Rückbezug auf das Besprochene. Wie gesagt: Ich möchte die Vorteile digitaler Kommunikation hier keinesfalls kleinreden oder wegdiskutieren. Gegenüber den zwei Vorgesetzten im Berliner Großraumbüro lautete mein Ratschlag deshalb: Wägen Sie ab, wann sich digitale und wann direkte Kommunikation besser eignet – und unterschätzen Sie den Wert eines persönlichen Gesprächs nicht.