Reverse Mentoring – Grünschnabel lehrt Grauschopf – Alt lernt von Jung
17. Februar 2020 von Albert Eckert
In unserer denkmodell-Beratungspraxis hören wir von älteren Führungskräften gelegentlich, wie wichtig ihre Kinder und Enkelkinder für sie zum Verständnis neuer technischer Entwicklungen sind. Die Enkelin richtet für Opa das neue Firmen-Handy oder ‑Tablet ein und zeigt ihm, was alles geht. Das ist für das Familienleben sicher prima, für Opas Unternehmen ist es eine Blamage.
Manche Unternehmen haben aus solchen Beobachtungen längst Konsequenzen gezogen. Sie setzen für ihre digitale Fitness nicht auf innerfamiliären Wissenstransfer, sondern organisieren ihre internen Mentoring- und Weiterbildungs-Prozesse intergenerativ neu. Dabei geben nicht die Alten ihr Wissen weiter, sondern die Jungen. Damit mögliche Spannungen rund um Hierarchie-Ebenen gering gehalten werden, sind es meist nie direkt Untergebene, die ihren Vorgesetzten als Mentor*innen dienen, sondern Menschen aus anderen Abteilungen des Unternehmens. Deshalb macht es Sinn, einen solchen Prozess des „Reverse Mentoring“ im Rahmen von Personal- und Organisationsentwicklung systematisch mitzudenken oder ein eigenständiges Projekt dafür zu entwickeln.
Bei denkmodell findet ein solcher Austausch zum Beispiel bei BYOD-Lunches (Bring Your Own Device) statt. Das sind optionale gemeinsame Mittagessen mit Werkstattcharakter, bei denen wir private und firmeneigene mobile Endgeräte mitbringen und uns darüber austauschen, wie wir etwa eine neue Software-Lösung ausprobieren und uns im Frage-Antwort-Stil von der jüngeren Generation am Großbildschirm erklären lassen, welche Einsatzmöglichkeiten es dafür gibt. Bei den BYOD-Lunches geht es viel um den Zugriff auf unsere digitalen Dienste und um Neuigkeiten aus der IT-Welt. Welche organisationsinternen Daten sollen wo und wie gespeichert und verarbeitet werden? Wie gewährleisten wir – auch im Interesse unserer globalen Kund*innen – größtmögliche Datensicherheit bei unseren vielfältigen internationalen Einsätzen (z.B. Vollverschlüsselungen, VPN-Zugriff bei Kundendaten, …)? Wo brauchen wir weitere firmeninterne Regeln oder technische Anpassungen (z.B. Passwort-Regeln, DSVGO-Konformität, …)? Doch es geht auch um ganz viel Praktisches, das gemeinsam leichter fällt: „Kann mir jemand das mit der neuen Antiviren-Software zeigen?“, „Wie kann ich eine große Menge an Fotos automatisiert verkleinern?“, „Welche Bildbearbeitung nutzt ihr für die Foto-Dokumentationen?“, „Wie wird die Firmen-Signatur zuverlässig angehängt?“, „Welche Apps nutzt ihr für euer Taskmanagement?“, „Wie geht ihr mit den vielen Passwörtern um?“, „Wer ist mit seiner Diktier-Software wirklich zufrieden?“ und vieles mehr. In der Regel sind es wir Älteren, die hier fragen. Manchmal erzählen wir auch aus der Zeit der ersten Speicherschreibmaschinen und kommen uns vor wie aus dem letzten Jahrhundert (was stimmt).
Doch zurück zum Reverse Mentoring, einem Konzept, dessen Erfindung 1999 Jack Welch zugeschrieben wird, der damals CEO von General Electric GE war. Es gibt eine Reihe von Voraussetzungen dafür, dass es gut klappt:
- Das Mentoring-Tandem sollte passen. Am besten funktioniert es bereichs- und hierarchieübergreifend. Mentoring muss immer freiwillig stattfinden, es darf keine Zwangsveranstaltung mit Zwangspaaren geben. Für den Erfolg des Programms hilft es, wenn hochrangige Mentees (Vorstände) den Anfang machen.
- Der Ablauf: die Tandems legen Ort und Frequenz ihrer Treffen selbst fest und geben sich eine Agenda. Soll es nur um neue Technologien, digitalen Workflow und Social Media gehen oder auch um andere Themen?
- Die Begleitung: Weil Mentoring eine eigene Fähigkeit ist, die nicht alle haben, gibt es in manchen Unternehmen dazu Fortbildungsangebote für Mentor*in und Mentee. Außerdem braucht es internes Marketing dafür, Erfolgsgeschichten und Austausch darüber. In der Regel ist die Abteilung Personalentwicklung der richtige Ort für die Bündelung von Erfahrungen mit dem Instrument.
Doch auch ohne internen Leitfaden und firmeneigene Mentoring-Plattform lässt sich mit Reverse Mentoring starten.
Das versuchen wir unseren Kund*innen gerne zu vermitteln. Oft beginnt es mit der simplen Frage : „Könntest du mir vielleicht mal zeigen, wie du das machst….?“ Viel Vergnügen dabei! Lernerfolg garantiert. Wenn Sie das gegenseitig wertschätzend gestalten, werden andere Ihnen bald folgen. Wir freuen uns, von Ihren Erfahrungen zu hören.