Teil 1: Die verbor­ge­nen Ursa­chen von Silos – und wie Sie sie entschlüs­seln

14. Januar 2025 von Philipp Scharff

Silos in Unter­neh­men: Ein ewiges Problem

Das Thema „Silos“ ist in vielen Unter­neh­men ein Dauer­bren­ner. Führungs­kräfte, aber auch Mitar­bei­tende stehen immer wieder vor der Heraus­for­de­rung, dass Abtei­lun­gen oder Teams nicht rich­tig mitein­an­der koope­rie­ren. Häufig hören wir in unse­rer Arbeit mit Führungs­kräf­ten oder in Anfra­gen von Kund*innen folgende Fragen: „Was kann ich tun, um Silos aufzu­bre­chen?“ oder „Warum koope­rie­ren meine Mitar­bei­ten­den nicht mitein­an­der?“

Die gute Nach­richt ist: Silos sind verän­der­bar und als Führungs­kraft haben Sie erstaun­li­che Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten. Doch woran liegt es, dass Silos über­haupt entste­hen und sich so hart­nä­ckig halten?

Liegt es wirk­lich an den Menschen?

Häufig wird das soge­nannte „Silo-Denken“ den handeln­den Perso­nen zuge­schrie­ben. Aussa­gen wie „Der Kollege X ist so ein Silo­den­ker, das wird nichts!“ oder „Die IT hat noch nie verstan­den, was wir brau­chen!“ sind dabei keine Selten­heit. Es scheint, als seien einzelne Mitar­bei­tende oder gar ganze Abtei­lun­gen für das Silo-Verhal­ten verant­wort­lich.

Dieser Gedanke ist nach­voll­zieh­bar: Schließ­lich beob­ach­ten wir das Verhal­ten von Menschen in der realen Arbeits­welt. Deshalb setzen auch viele Maßnah­men, die zur Über­win­dung von Silos beitra­gen sollen, genau an den Menschen an. Kommu­ni­ka­ti­ons­trai­nings, Team­work­shops, Konflikt­me­dia­tio­nen und Appelle an das Mind­set sind gängige Ansätze.

Der Frust mit Maßnah­men, die nicht grei­fen

Trotz aller guten Absich­ten haben diese Maßnah­men oft nur begrenz­ten Erfolg. Selbst nach inten­si­ven Work­shops zur Verbes­se­rung der abtei­lungs­über­grei­fen­den Zusam­men­ar­beit kehrt die Arbeits­rea­li­tät nach weni­gen Tagen oder Wochen oft wieder in den alten Modus zurück: Silo-Denken. Dies ist sowohl für die Führungs­kräfte als auch für die Mitar­bei­ten­den frus­trie­rend, weil sich gefühlt nichts ändert.

Ein Grund für diesen Frust liegt in einem weit verbrei­te­ten Denk­feh­ler: „Es liegt an den Menschen.“ Doch genau diese Annahme führt in die Irre.

Die Macht des Kontex­tes

Es gibt neben der Persön­lich­keit und dem Mind­set der Mitar­bei­ten­den einen weite­ren, sehr wich­ti­gen Faktor, der ihr Verhal­ten in Orga­ni­sa­tio­nen prägt: den Kontext.

Menschen verhal­ten sich in der Regel ihrem Umfeld entspre­chend. Ein plaka­ti­ves Beispiel: Stel­len Sie sich vor, Sie beob­ach­ten jeman­den beim Team­sport, etwa beim Fußball. Mit hoher Wahr­schein­lich­keit sehen Sie koope­ra­ti­ves Verhal­ten – der Ball wird gepasst, man unter­stützt sich gegen­sei­tig. Nun beob­ach­ten Sie dieselbe Person ein paar Stun­den später beim Mono­poly-Spie­len. Was würden Sie sehen? Wahr­schein­lich ein wett­be­werbs­ori­en­tier­tes Verhal­ten, bei dem jede*r Spieler*in versucht, seinen indi­vi­du­el­len Erfolg zu maxi­mie­ren.

Gezeichnete Monpoly Zeichen und Figuren, die erfolgreich gemeinsam Fußball spielen

Was sagt uns dieses Beispiel? Der glei­che Mensch zeigt in unter­schied­li­chen Kontex­ten komplett verschie­dene Verhal­tens­wei­sen. Daraus lässt sich schlie­ßen: Das Verhal­ten von Menschen wird nicht nur durch ihre Persön­lich­keit bestimmt, sondern auch durch den Rahmen, in dem sie agie­ren.

Die Program­mie­rung als Schlüs­sel zum Verhal­ten

In Orga­ni­sa­tio­nen spre­chen wir von „Program­mie­rung“, wenn wir diesen Rahmen meinen. Die Program­mie­rung umfasst z.B. Entschei­dun­gen über Struk­tu­ren (Wie ist die Arbeit aufge­teilt?), Entschei­dungs­wege (Wer trifft Entschei­dun­gen und wie?), Prozesse (An welche Abläufe soll ich mich halten?) und Ziel­vor­ga­ben.

Gezeichnete Schachfigur

Die Program­mie­rung kann man sich wie die „Spiel­re­geln“ in einem Brett­spiel vorstel­len. Je nach­dem, wie diese Regeln gestal­tet sind, wird bestimm­tes Verhal­ten geför­dert oder unter­bun­den.

Beispiele aus der Praxis

Stel­len Sie sich ein Unter­neh­men vor, das die folgende Program­mie­rung gewählt hat: „Wir setzen auf indi­vi­du­elle Ziele, verknüp­fen diese mit hohen Boni und veröf­fent­li­chen monat­lich die Verkaufs­zah­len der Mitar­bei­ten­den.“ Was würden Sie in diesem Unter­neh­men erwar­ten? Der starke Fokus auf indi­vi­du­elle Leis­tung führt vermut­lich dazu, dass Mitar­bei­tende stär­ker auf ihren eige­nen Erfolg achten und sich weni­ger um die Zusam­men­ar­beit mit Kolleg*innen kümmern. Silos entste­hen hier beinahe zwangs­läu­fig.

Ein ande­res Beispiel: „Unsere Arbeit ist in funk­ti­ons­ge­trennte Abtei­lun­gen aufge­teilt. Jede Abtei­lung hat eigene Ziele und trifft ihre Entschei­dun­gen unab­hän­gig von den ande­ren.“ Hier führt die Program­mie­rung eben­falls zu einer star­ken Abtei­lungs­fo­kus­sie­rung, wodurch über­grei­fende Zusam­men­ar­beit erschwert wird. Wieder sind Silos durch Program­mie­rung entstan­den.

Zwischen­fa­zit: Der Kontext ist entschei­dend

Die Program­mie­rung der Orga­ni­sa­tion hat einen enor­men Einfluss auf das Verhal­ten der Menschen. Als Führungs­kraft haben Sie die Möglich­keit, diesen Kontext gezielt zu gestal­ten und zu verän­dern. Anstatt also an den Persön­lich­kei­ten zu feilen, lohnt es sich, die Struk­tu­ren und Rahmen­be­din­gun­gen in Ihrer Orga­ni­sa­tion unter die Lupe zu nehmen. Denn der Schlüs­sel zur Über­win­dung von Silos liegt weni­ger in den Menschen, sondern viel­mehr im Kontext, den Sie als Führungs­kraft gestal­ten können.

Im zwei­ten Teil dieser Arti­kel­se­rie werden wir uns einem Aspekt von Program­mie­rung genauer widmen: Der Arbeits­tei­lung.