Teil 2: Neue Wege der Arbeits­tei­lung – So verhin­dern Sie Silos in Ihrer Orga­ni­sa­tion

26. Februar 2025 von Philipp Scharff

Im ersten Teil dieser Serie haben wir darüber gespro­chen, wieso es ein Denk­feh­ler ist, Silo-Verhal­ten den handeln­den Menschen zuzu­schrei­ben (lesen Sie den Arti­kel hier nach). Wir haben den Begriff der “Program­mie­rung” einge­führt – jene unsicht­ba­ren Kräfte, die das Verhal­ten in Unter­neh­men maßgeb­lich beein­flus­sen. Heute tauchen wir tiefer in dieses – gerade für Führungs­kräfte ausge­spro­chen nütz­li­che Konzept der Program­mie­rung ein und fokus­sie­ren uns dabei auf die Arbeits­tei­lung.

Arbeits­tei­lung als Ursa­che für Silos

In vielen Orga­ni­sa­tio­nen ist die Arbeit nach Funk­ti­ons­grup­pen sortiert: Marke­ting, Vertrieb, Produk­tion, Entwick­lung, HR und Control­ling – jede Abtei­lung arbei­tet für sich, hat eigene Ziele und eine eigene Leitung. Diese Art der Arbeits­tei­lung ist uns allen vertraut und in vielen Unter­neh­men Stan­dard. Auch die Verwal­tung in unse­rem Alltag ist oft nach diesem Prin­zip orga­ni­siert: „Für Führer­scheine gehen Sie bitte zu Schal­ter 2, für den Pass zu Schal­ter 3.“

Diese funk­ti­ons­ba­sierte Arbeits­tei­lung mag „normal“ erschei­nen, doch sie ist keines­wegs alter­na­tiv­los. Ganz im Gegen­teil: Diese Program­mie­rung führt in vielen Fällen zu Silos und verhin­dert eine effek­tive Zusam­men­ar­beit zwischen den Abtei­lun­gen.

Die Nach­teile der herkömm­li­chen Arbeits­tei­lung

Obwohl die funk­ti­ons­ori­en­tierte Arbeits­tei­lung ihre Vorteile hat – klare Verant­wort­lich­kei­ten und Spezia­li­sie­rung – bringt sie auch erheb­li­che Nach­teile mit sich. Zu den größ­ten Heraus­for­de­run­gen gehört die Tendenz, dass sich Mitar­bei­tende vor allem auf ihre eigene Abtei­lung konzen­trie­ren und abtei­lungs­über­grei­fende Zusam­men­ar­beit vernach­läs­si­gen. Dies führt oft zu einer „Wir-gegen-die-Menta­li­tät“ und erschwert den Austausch, selbst wenn dieser drin­gend notwen­dig wäre.

Ein Blick auf Alter­na­ti­ven: Das Beispiel FAVI

Eine span­nende Alter­na­tive zur tradi­tio­nel­len Arbeits­tei­lung bietet das Modell der produkt­ori­en­tier­ten Teams. Der fran­zö­si­sche Auto­mo­bil­zu­lie­fe­rer FAVI stand vor ähnli­chen Heraus­for­de­run­gen wie viele Unter­neh­men: lang­same Reak­ti­ons­zei­ten auf Kunden­wün­sche, star­kes Silo­den­ken, Konflikte zwischen Abtei­lun­gen und eine inef­fi­zi­ente Kommu­ni­ka­tion.

FAVIs Lösung war es, die Orga­ni­sa­tion von einer funk­ti­ons­ori­en­tier­ten zu einer produkt­ori­en­tier­ten Arbeits­tei­lung umzu­bauen. Das bedeu­tete, dass funk­ti­ons­über­grei­fende Teams gebil­det wurden, die jeweils für ein spezi­fi­sches Produkt und einen bestimm­ten Kunden verant­wort­lich waren. In diesen Teams arbei­te­ten Mitar­bei­tende aus den Berei­chen Marke­ting, Vertrieb, Produk­tion und Control­ling zusam­men – nicht nur als tempo­rä­res Projekt, sondern als dauer­hafte Struk­tur.

Die Vorteile der produkt­ori­en­tier­ten Arbeits­tei­lung

Durch die Umstruk­tu­rie­rung konnte FAVI einige entschei­dende Verbes­se­run­gen erzie­len: 

  • Die Teams konn­ten schnel­ler auf Kunden­wün­sche reagie­ren, da sie alle rele­van­ten Kompe­ten­zen verein­ten. 
  • Die Kommu­ni­ka­tion zwischen den Funk­ti­ons­grup­pen verbes­serte sich dras­tisch, da alle Mitar­bei­ten­den direkt zusam­men­ar­bei­te­ten.
  • Die Zufrie­den­heit der Kund*innen stieg, da das Unter­neh­men flexi­bler und agiler handeln konnte.

Natür­lich bringt auch diese Program­mie­rung Heraus­for­de­run­gen mit sich, wie beispiels­weise eine höhere interne Komple­xi­tät und einen gestei­ger­ten Abstim­mungs­be­darf. Doch insge­samt bietet die produkt­ori­en­tierte Arbeits­tei­lung ein Modell, das stär­ker auf Zusam­men­ar­beit und Anpas­sungs­fä­hig­keit setzt. Und das dann sehr nütz­lich sein kann, wenn eine Orga­ni­sa­tion in einem sehr dyna­mi­schen Umfeld agie­ren muss.

Welche Program­mie­rung passt zu Ihrer Orga­ni­sa­tion?

Es gibt keine „rich­tige“ oder „falsche“ Art der Arbeits­tei­lung – viel­mehr muss jede Orga­ni­sa­tion den Weg finden, der zu ihrem Geschäft und ihren Heraus­for­de­run­gen passt. Die zentrale Frage lautet: Welchen Preis sind Sie bereit zu zahlen? Führungs­kräfte können die Program­mie­run­gen in ihrer Orga­ni­sa­tion bewusst gestal­ten und bereit sein, Alter­na­ti­ven zu testen.

Zusam­men­fas­send

1. Mit dem zwei­ten sieht man besser
Wenn Sie es mit Silo-Verhal­ten zu tun haben, rich­ten Sie Ihre Aufmerk­sam­keit bewusst auf die Program­mie­run­gen in Ihrer Orga­ni­sa­tion. Wie könnte das Verhal­ten, das Sie aktu­ell beob­ach­ten und für verän­de­rungs­be­dürf­tig erach­ten durch Program­mie­run­gen (also Arten der Arbeits­tei­lung, Kommu­ni­ka­ti­ons­wege, Prozesse, Entschei­dungs­ver­fah­ren, etc.) zu erklä­ren sein? Erin­nern Sie sich an das Beispiel mit Mono­poly und dem Team­sport: Die Verhält­nisse (der Kontext) bestim­men das Verhal­ten entschei­dend mit.

Dieses Denken ist häufig unge­wohnt und manch­mal hilft ein Kopf­stand: Stel­len Sie sich vor, Sie würden einen iden­ti­schen Zwil­ling ihrer Orga­ni­sa­tion erschaf­fen können – mit komplett neuen Mitar­bei­ten­den. Die Menschen wären also alle anders und neu. Nun stel­len Sie sich vor, dieses “Zwil­lings­un­ter­neh­men” wollte das glei­che “Silo-Problem” haben, wie Sie. Wie müss­ten Sie dieses Unter­neh­men program­mie­ren, sodass Sie nach ein paar Mona­ten das beklagte Verhal­ten beob­ach­ten könn­ten? Wie also müss­ten Sie Arbeit auftei­len, welche Struk­tu­ren müss­ten Sie bauen, welche Systeme zur Ziel­set­zung einfüh­ren, wie Kommu­ni­ka­tion lenken (wer darf/muss/soll mit wem reden?), wo Entschei­dun­gen tref­fen, etc.? Häufig kann uns dieses Gedan­ken­ex­pe­ri­ment dabei helfen, unse­ren Blick für Program­mie­run­gen zu schär­fen. Welche Program­mie­run­gen finden Sie?

2. Passung zwischen Problem und Program­mie­rung

Fragen Sie sich im nächs­ten Schritt, welche Wirkung die Programme, die Sie in ihrer Orga­ni­sa­tion gefun­den haben, entfal­ten? Welches Verhal­ten machen Sie wahr­schein­li­cher? Welches nicht? Und wie gut passt das zu der Art von ‚Geschäft‘, das Sie haben?

3. Auf der Suche nach alter­na­ti­ven Möglich­kei­ten der Program­mie­rung

Die Art der Program­mie­rung von Orga­ni­sa­tio­nen ist verän­der­bar – sie kann per Entschei­dung herbei­ge­führt werden. Hier besteht also ein ausge­spro­chen wirk­sa­mes Hand­lungs­feld für Führungs­kräfte. Wenn Sie die Program­mie­rung in Ihrer Orga­ni­sa­tion analy­siert haben, machen Sie sich auf die Suche nach Alter­na­ti­ven. Hierzu gibt es zahl­rei­che Beispiele aus ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen, Podcasts und Büchern – oder Sie spre­chen uns an und wir berich­ten aus unse­rer Praxis und unse­ren Einbli­cken in unter­schied­li­che Orga­ni­sa­tio­nen.

4. Expe­ri­men­tie­ren Sie mit Alter­na­ti­ven

Testen Sie neue Struk­tu­ren in klei­nem Rahmen, so können Sie zum Beispiel ein produkt­ba­sier­tes Team für ein Pilot­pro­jekt einrich­ten und beob­ach­ten, welche Arten von Zusam­men­ar­beit dabei entste­hen.