Unternehmen unter der Lupe: Die Organisationsanalyse
18. Januar 2023 von Julian-G. Mehler
Uns erreicht ein Anruf. Die Kundin weiß genau, was sie will: „Ich brauche ein Konflikttraining für mein Team.“ Also Angebot schreiben und los geht’s! Ganz einfach, oder?
Nein. Denn manchmal steckt hinter einem scheinbar klaren Anliegen ein nicht greifbares, häufig strukturelleres Problem. Hinterfragen wir das nicht, machen wir ggf. ein Konflikttraining mit einem Team, das eigentlich etwas ganz anderes braucht – zum Beispiel Klärung von Erwartungen bezüglich der Rollen und Aufgaben im Team.
Daher finden wir in der Regel erstmal in einem unverbindlichen (und kostenlosen) Vorgespräch heraus, was der genaue Anlass der Anfrage ist, welche konkreten Ziele und Sorgen dahinterstecken. Vielleicht zeigt sich dabei, dass das angefragte Training tatsächlich die beste Lösung ist – oder es doch etwas ganz anderes braucht.
Erstmal einen Gang runterschalten
Vielleicht zeigt sich im Gespräch auch: Die Ausgangslage ist so verworren oder vielschichtig – hier müssen wir erstmal einen Gang zurückschalten und sortieren, bevor wir in den „Lösungsmodus“ gehen können.
Wir empfehlen in einem solchen Fall oft eine sogenannte Organisationsanalyse. Durch dieses „systematische Betasten“ einer Organisation können wir Prozesse, Strukturen und Beteiligte besser verstehen. Zugleich bekommen unsere Kundinnen einen neutralen Blick von außen und neue Perspektiven und Einsichten in die eigene Organisation.
Typische Merkmale einer Organisationsanalyse sind folgende – wobei keine Organisationsanalyse der anderen gleicht und nicht zwingend alle Punkte enthalten sein müssen:
- Auftragsklärungsgespräch mit demder Auftraggeberin oder einem kleinen Projektteam
- Sichtung relevanter Daten und Unterlagen (Kennzahlen, Organisationsstruktur, Berichte, Leitbild, Satzung u. a.)
- Besuch des Unternehmens oder der Organisationseinheit
- Einzelinterviews mit Mitarbeiterinnen (unter Einbezug möglichst unterschiedlicher Sichtweisen)
- Moderierte Gespräche in kleinen Teams der Mitarbeiterinnen
- Synthese der Beobachtungen
- Rückspiegelung von Hypothesen an und Resonanz von Auftraggeber*in; Diskussion möglicher Veränderungspunkte und Maßnahmen
- Kondensation der Analyse in schriftlicher Form und Präsentation an die Auftraggeberin (Wie schätzen wir die Situation ein? Was könnten sinnvolle Maßnahmen sein?)
- Bei Interesse: Vereinbarung über weitere Zusammenarbeit
Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt das folgende Beispiel.
Hilfe im Strategieprozess
Ein mittelständisches Berliner IT-Unternehmen meldet sich: Es braucht Unterstützung bei einem Strategieprozess. Im Vorgespräch stellt sich heraus: Hinter dem Begriff „Strategie“ verbirgt sich ein ganzer Strauß an strukturellen und strategischen Fragen, die zunächst beantwortet werden müssen. Ein direktes Angebot samt Planung konkreter Maßnahmen wäre rein hypothetisch – und damit unseriös. Die Lösung: eine fünfstufige Organisationsanalyse im Umfang von vier Beratungstagen.
1) Das Klärungsgespräch
Die Analyse soll gründlich sein – und trotzdem den Arbeitsalltag so wenig wie möglich stören. Daher stimmen wir uns mit dem Kunden ab: Wie kann eine transparente Kommunikation mit Blick auf die Mitarbeiterinnen aussehen? Wer hat welche Rollen während der Analyse? Wie sieht die Aufgabenverteilung zwischen Beraterinnenteam und Kunde aus? Wie ist der genaue Ablauf der Analyse?
2) Die Auftaktveranstaltung
Zu Beginn der eigentlichen Organisationsanalyse kommen die Mitarbeiterinnen zu einer Veranstaltung zusammen. Die Geschäftsführung erläutert Fokus und Vorgehen des Analyseprozesses, die Mitarbeiterinnen diskutieren in Kleingruppen erste Leitfragen von uns. So werden zum einen alle Beteiligten informiert, zum anderen erhalten wir als Beraterinnen bereits erste Beobachtungen des Unternehmens – wertvolle Erkenntnisse für den weiteren Prozess.
3) Die Einzelinterviews
In anschließenden Einzelinterviews mit Mitarbeiterinnen machen wir uns ein Bild von den Sichtweisen und mentalen Modellen im Unternehmen. Und auch, wenn es Unterschiede bei Aufgabenbereichen, Hierarchie-Stufen, Abteilungen und Teams, persönlichem Naturell und Betriebszugehörigkeit gibt, erkennen wir durch die Interviews ein charakteristisches Muster – die „DNA“ des Unternehmens.
4) Die Erkenntnisse
Die Ergebnisse dieser Einblicke und Interviews stellen wir in anonymer und verdichteter Form zusammen und präsentieren sie der Geschäftsführung in einer Leitungsrunde – zusammen mit Hypothesen, die wir zur Sitaution des Unternehmens haben. So können wir gemeinsam die bisherigen Erkenntnisse diskutieren und prioritäre Handlungsfelder für die Ausrichtung des Unternehmens identifizieren. Das Leitmotiv dabei: Nicht alles machen, sondern zeitnah das Wichtige angehen.
5) Transparente Kommunikation und Raum für Fragen
Die Ergebnisse der Leitungsrunde stellt die Geschäftsführung den Mitarbeiterinnen in einer Versammlung vor. Das sorgt zum einen für Transparenz: Die nächsten Schritte sowie der anstehende Prozess samt Zielen, Verantwortlichen, Beteiligten und Möglichkeiten mitzuwirken werden klar kommuniziert. Zum anderen können die Mitarbeiterinnen direkt Fragen stellen.
Und der Strategieprozess kann starten.
Der Umweg als Abkürzung
So hat das Unternehmen nach nur vier Beratungstagen und fünf gezielten Schritten Organisationsanalyse eine solide Basis, um seinen Strategie- und Veränderungsprozess anzugehen und schließlich erfolgreich umzusetzen – weitgehend eigenständig mit nur punktueller Unterstützung von denkmodell.
Der „Umweg“ über die Organisationsanalyse ist für das Unternehmen damit nicht nur langfristig wirksamer, sondern sogar preisgünstiger als ein großes Strategieberatungspaket von der Stange.
Es gibt nicht die Organisationsanalyse
Wichtig ist: Das Beispiel des IT-Dienstleisters zeigt ein mögliches Vorgehen bei einer Organisationsanalyse. In anderen Branchen oder mit weniger oder mehr Beteiligten wäre der Ablauf sicher anders gewesen. Auch das erste Anliegen bestimmt mit, wie die Analyse aussieht: Geht es um Ursachenforschung, Bedarfsanalyse oder darum, einen Überblick zu bekommen?
Je nach Anliegen, Organisationsgröße und Reichweite kann eine Organisationsanalyse zwischen zwei Tagen und drei Wochen dauern. Bei Bedarf beziehen wir externe Dienstleister oder Stakeholder in unsere Analyse mit ein. Unsere Angebote stimmen wir immer auf den Kontext ab und wägen Aufwand und Nutzen in Absprache mit demder Auftraggeberin sorgfältig ab.
Eines haben solche Interventionen allerdings immer gemeinsam: Es geht darum zu verstehen, zu sortieren, in Reihenfolge zu bringen. Darum, Zusammenhänge zu erkennen, Perspektiven zu wechseln und Prioritäten zu setzen. Denn dann entsteht am Ende eine solide Basis für gezielte und sinnvolle Veränderungen.
Sind auch Sie an einer Organisationsanalyse interessiert?
Melden Sie sich gern und wir finden in einem unverbindlichen, kostenlosen Gespräch heraus, wie wir Sie unterstützen können.