Buchempfehlungen zur Organisationsentwicklung
18. September 2023 von Kirsten Mieves
Anna Schulte empfiehlt:
„Reinventing Organizations“ von Frederic Laloux
Welches Buch möchte ich Menschen empfehlen, die bisher wenig mit Organisationsentwicklung (OE) zu tun haben und vielleicht auch nur ein vages Interesse mitbringen? Und welches ist mir zudem auch wirklich nützlich in meiner Arbeit als Beraterin? Meine Wahl: REINVENTING ORGANIZATIONS von Frederic Laloux.
Der Klassiker, den wir bereits 2015 in unserem Blog rezensiert haben, zählt für mich zu den relevantesten Büchern der OE mit zugleich irrsinnigem praktischen Nutzen. Immer wieder beziehe ich mich darauf: Natürlich in der Ausbildung – aber auch in Kundenprojekten innerhalb von Diagnosephasen (beschäftigt mit der Frage „Was ist hier eigentlich los?“) sowie bei der Entwicklung von Visionen und Zielen über zukunftsfähige Formen von Zusammenarbeit.
Mit einem Zwinkern gestehe ich dabei: Am liebsten lese ich die visuelle Ausgabe – ebenfalls schon im Blog rezensiert: „Es ist eine tolle Ergänzung für alle, die den Klassiker schon kennen – ein prima Einstieg, für alle, die einfach nur mal reinlesen wollen – und ein wunderbarer Begleiter für Entscheider*innen, Berater*innen und all diejenigen, die das Thema aktuell umtreibt.“ Mit Bildern und Farben zu arbeiten passt (nebenbei gesagt) ganz wunderbar zum Gestalt-Ansatz, der mich in meiner Arbeit prägt. Es schafft Anker und kreiert erfahrungsgemäß viel tiefer wirkende Erkenntnisse, als „nur“ Worte, Post-its oder gar PowerPoints. Und das bringt mich dann schlussendlich auf meinen Anspruch an Ausbildung und Beratung: Erkenntnisse und Entscheidungen durch ganzheitliches Erfahren und Erleben.
Rupert Prossinagg empfiehlt:
„Systemische Intervention. Architekturen und Designs für Berater und Veränderungsmanager“ von Roswita Königswieser und Alexander Exner
Oft werden wir in unserer Ausbildung Beratung und Organisationsentwicklung gefragt: „Wie genau geht das denn mit einer Intervention? Wir verstehen ja die Haltung von Berater*innen, aber was wir konkret tun sollen, erschließt sich noch nicht ganz.“ Diese Frage ist mehr als verständlich, auch wenn wir dann in der Regel sagen müssen: „Es kommt immer darauf an.“ Doch so sehr es auch immer darauf ankommt (das ist grundsätzlich richtig!), so sehr können wir als Berater*innen gleichzeitig auf fundiertes Wissen und vor allem jahrzehntelange Erfahrung von Profis zurückgreifen.
Zum Beispiel auf die von Roswitha Königswieser und Alexander Exner, die mit ihrer Publikation „Systemische Intervention“ ein ausgezeichnetes Praxisbuch anbieten. Sie bieten vor allem viele konkrete praktische Beispiele an; zum einen geht es dabei um die Fragen von Interventionsarchitekturen (also die Frage: Wer muss denn eigentlich was tun und in welcher Reihenfolge?), zum anderen um die konkrete Ausgestaltung von Interventionen – das nennen wir Interventionsdesign.
Egal, ob Diagnose und Mustererkennung, Identitätsarbeit oder die Auflösung von Blockaden: Nach zentralen Handlungsfeldern gegliedert, bieten die Autor*innen ganz konkrete Methoden an und beschreiben die Anwendung in der Praxis Schritt für Schritt. Auch, wenn am Ende jede*r Berater*in die passenden Methoden situativ und kontextbezogen wählen und gestalten wird: In diesem Methodenbuch finden sich viele praxistaugliche Ideen für die Gestaltung von Veränderungsprozessen.
Julian‑G. Mehler empfiehlt:
„Die Denkwerkzeuge der Höchstleister“ von Gerhard Wohland und Matthias Wiemeyer
Mich reizt die Frage, wie die Organisation des 21. Jahrhunderts beschaffen sein muss. Da gibt es viele fluffige Methoden und scheinbare Best Practices, die einen aber im konkreten Fall ratlos zurücklassen, weil die Falle dann doch zu verlockend ist: Denn was in einem Fall funktioniert hat, funktioniert in einem anderen Fall nicht – oder in Zukunft nicht mehr.
In einem Umfeld hoher Dynamik ist Planung in weiten Teilen häufig nutzlos oder gar organisationsgefährdend. Und Blaupausen gibt es schon gar nicht. Einen beeindruckenden Beitrag mit systemtheoretischer Brille finde ich die „Die Denkwerkzeuge der Höchstleister“ von Gerhard Wohland und Matthias Wiemeyer. Sie beschreiben dabei in einer hohen Nüchternheit und Klarheit, welche Strukturprinzipien für sogenannte dynamikrobuste Organisationen essenziell sind.
Da findet sich beispielsweise die absolut hilfreiche Unterscheidung in blaue (kompliziert: stabil, planbar) und rote (komplex: dynamisch, überraschend) Probleme, die eine fundamental unterschiedliche Arbeit damit und folglich unterschiedliche Organisationsstruktur nach sich ziehen. Die konsequente Ausrichtung der gesamten Organisation auf die essenzielle Kernfunktion Wertschöpfung ist so nüchtern wie gleichzeitig faszinierend. Das Buch bietet keine Lösungen, Best Practices – aber ein wertvolles Fundament für das Design der Agilen Organisation. Es fußt sehr auf den Konzepten von Luhmann und ist im gleichen Feld unterwegs wie die Future Leadership-Schule von intrinsify oder auch das Buch „Die Humanisierung der Organisation“.
David Koschel empfiehlt:
„Zurück an die Arbeit“ von Lars Vollmers
Ich berate viel im öffentlichen und Non-for-Profit-Bereich, wo ich mit sehr engagierten Führungskräften und Mitarbeitenden zu tun habe. Trotzdem bleibt dieses Engagement oftmals in den Mühlen (bürokratisch) und Dynamiken (gesehen werden, überall mitreden müssen) der entsprechenden Organisationen stecken. Kurz: Gute bis sehr gute Leute investieren Kraft und Herzblut, mit begrenztem Wirkungsgrad im Ergebnis.
Lars Vollmers „Zurück an die Arbeit“ bezieht sich zwar weitgehend auf Erfahrungen in der Unternehmenswelt, ist aber umso relevanter und treffender für den öffentlichen Bereich. Seine Beobachtung: In Organisationen schlucken Tätigkeiten, Meetings, Formate, Prozeduren wahnsinnig viel Ressourcen, ohne auch nur irgendeinen Beitrag zur Wertschöpfung zu leisten. Eigentlich keine ganz neue Beobachtung, in der Darstellung und Konsequenz aber messerscharf: Derartiges Organisationstheater ist reine Verschwendung.
Für meine Beratung ziehe ich daraus die ständige Prüffrage: Dient es der Wertschöpfung? … oder ist es nur Theater? Mir als jemand, der selbst in trägen öffentlichen Organisationen beruflich sozialisiert ist (UN, Bundestag), ist dies ein eindringliches Korrektiv in meiner Wahrnehmung, da ich qua Gewohnheit eine gewisse Geduld mit diesem Beiwerk von Prozedere, Planung und Politics entwickelt hatte.
Allerdings halte ich dagegen, dass manches, was bei Vollmer den Stempel „Organisationstheater“ aufgedrückt bekommt, mindestens mittelbar zur Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden beiträgt (von sinnvoll aufgesetzten Feedback- und Jahresgesprächen halte ich durchaus etwas …) oder die eigene Finanzierung und somit das Erfüllen des Organisationszwecks erst ermöglicht (ein Maß an Planungs- und Budgetprozessen ist für viele Organisationen alleine deshalb unabdingbar, weil es Zuwendungsgeber oder Rechnungshof so erfordern.).
Alles in allem: Lesens- und hörenswert, weil prägend für den eigenen Kompass.
Unsere nächste Ausbildung Beratung und Organisationsentwicklung startet im Frühjahr 2024. Hier erfahren Sie mehr darüber: