Der Unter­schied macht den Unter­schied – Erfolg­rei­ches Diver­sity Manage­ment in Unter­neh­men

21. Oktober 2013 von denkmodell

Was genau heißt Diver­sity eigent­lich? Im Grunde könnte der engli­sche Manage­ment-Begriff mit den Worten „Viel­fäl­tig­keit“ oder „Viel­falt“ ausrei­chend beschrie­ben werden. Jedoch wird die Debatte um den Wert von Viel­falt in und für Orga­ni­sa­tio­nen inter­na­tio­nal geführt.

Die ersten Anstöße dazu kamen aus den USA, wo die Bewäl­ti­gung und Wert­schät­zung von ethni­scher und kultu­rel­ler Viel­falt eine lange Tradi­tion hat. Histo­risch gese­hen ging in den 60er Jahren der Blick zunächst in Rich­tung „Problem­ver­mei­dung“ und „Bürger­rechte“. Unter der Über­schrift Diver­sity wurde ein fried­li­ches Zusam­men­le­ben unter­schied­li­cher ethni­scher und sozia­ler Grup­pen in den städ­ti­schen Brenn­punk­ten ange­strebt, gepaart mit dem Kampf gegen Diskri­mi­nie­rung sowie geziel­ter Förde­rung von Minder­hei­ten bzw. margi­na­li­sier­ten Grup­pen. Erst in den 80er Jahren erfolgte die „Entde­ckung“ des Diver­sity-Begriffs, so wie wir ihn heute verste­hen: Viel­falt als wert­volle Ressource für jedes inno­va­tive und anpas­sungs­fä­hige Unter­neh­men1.

Das Diver­sity Para­digma

Heut­zu­tage beruht akti­ves Diver­sity Manage­ment auf der Annahme, dass die Viel­falt der Kompe­ten­zen und Erfah­run­gen von Mitarbeiter*innen einer Orga­ni­sa­tion ein krea­ti­ves und wirt­schaft­li­ches Poten­tial darstellt, das es zu nutzen und zu fördern gilt. Eine Behaup­tung, die inzwi­schen durch zahl­rei­che wissen­schaft­li­che Studien belegt ist. So geht beispiels­weise der 2012 erschie­nene „Inter­na­tio­nal Busi­ness Case Report“ der Frage nach, welche Vorteile Orga­ni­sa­tio­nen aus geleb­ter Viel­falt ziehen. Nach der Auswer­tung von 135 empi­ri­schen Studien aus aller Welt, die sich mit Diver­sity und Inklu­sion befas­sen, belegt die Unter­su­chung eindeu­tig: Diver­si­tät erhöht die Leis­tungs­fä­hig­keit und Produk­ti­vi­tät von Orga­ni­sa­tio­nen, trägt zu einer größe­ren Kunden­zu­frie­den­heit bei, verbes­sert das Image und stei­gert die Wett­be­werbs­fä­hig­keit.2

In Deutsch­land domi­niert der Gender-Aspekt

Auch in Deutsch­land sind die Kern­bot­schaf­ten des Diver­sity Manage­ments schon lange ange­kom­men. Eine Studie der Unter­neh­mens­be­ra­tung Ernst & Young aus dem Jahr 2012 belegt, dass 69 Prozent der befrag­ten deut­schen Groß­un­ter­neh­men mit inter­na­tio­na­ler Ausrich­tung regel­mä­ßig Kenn­zah­len erhebt, um die Effekte des Diver­sity Manage­ments fest­zu­hal­ten (Diver­sity Control­ling). Die Studie stellt zugleich aber auch fest, dass Diver­sity in Deutsch­land sehr häufig allein auf Gender-Themen bezo­gen wird, während andere Dimen­sio­nen weit­aus selte­ner oder gar nicht im Fokus stehen. Das volle Poten­tial von Diver­sity Manage­ment wird in Deutsch­land somit bei weitem noch nicht ausge­schöpft, so das Fazit der Studie3. Dabei stehen im Perso­nal­ma­nage­ment eine ganze Reihe von “Unter­schied­lich­kei­ten“ zur Dispo­si­tion, aus denen berei­chernde Team­kon­stel­la­tio­nen entste­hen können. Hier eine kleine Auswahl:

  • Geschlecht
  • Fami­li­en­stand und ‑status
  • Migra­ti­ons­hin­ter­grund / Natio­na­li­tät / Ethnie
  • Alter / Gene­ra­tion
  • Reli­gion und Welt­an­schau­ung
  • Soziale und sozio­öko­no­mi­sche Herkunft
  • Behin­de­rung / Disa­bi­lity
  • Sexu­elle Orien­tie­rung / Lebens­form
  • Bildungs- und Erzie­hungs­hin­ter­grund
  • Ausbil­dung / Berufs- und Studi­en­erfah­rung
  • Hete­ro­ge­ni­tät von Fach­kul­tu­ren
  • Regio­nale Herkunft

Während zuguns­ten der Gender Diver­sity inzwi­schen zahl­rei­che empi­ri­sche und „hand­feste“ Belege vorlie­gen4, ist das Poten­tial ande­rer „Mischungs­kri­te­rien“ bisher noch wenig oder gar nicht unter­sucht. Immer­hin hat die „50+“-Diskussion, die ange­sichts der Über­al­te­rung der deut­schen Gesell­schaft seit vielen Jahren in der deut­schen Wirt­schaft geführt wird, inter­es­sante Modelle zu alters­ge­misch­ten Teams hervor­ge­bracht. Hier könn­ten unter­neh­me­ri­sche „Zwänge“ zu einem stei­gen­den Bewusst­sein für die Chan­cen von Viel­falt führen.

“Diver­sity ist ein Busi­ness-Must”

In der Tat pfle­gen und entwi­ckeln viele Unter­neh­men Diver­sity mitt­ler­weile als wich­tige stra­te­gi­sche Hand­lungs­li­nie. Bereits 1.444 deut­sche Unter­neh­men haben die „Charta der Viel­falt” unter­zeich­net, die 2006 aus einer Unter­neh­mens­in­itia­tive entstand5. Und so ist beispiels­weise im Nach­hal­tig­keits­be­richt der Daim­ler AG zu lesen: „Diver­sity Manage­ment ist kein Nice-to-have, sondern ein Busi­ness-Must.“ Hier konzen­triert man sich auf drei Dimen­sio­nen der Diver­si­tät: Frau­en­an­teil in Beleg­schaft und Führungs­po­si­tio­nen, Gene­ra­tio­nen­viel­falt und Inter­kul­tu­ra­li­tät.6

Diver­sity Manage­ment – wie geht das denn prak­tisch? Nun ist ja Papier bekannt­lich gedul­dig und es mangelt heut­zu­tage selten an öffent­li­chen Bekennt­nis­sen zu bedeu­ten­den Themen­fel­dern. Klar sollte aber sein: Es genügt nicht, einfach nur möglichst „unter­schied­li­che“ Mitarbeiter*innen zusam­men­zu­brin­gen und abzu­war­ten, was passiert. Viel­mehr ist Diver­sity Manage­ment ein akti­ves stra­te­gi­sches Handeln und ein ziel­ori­en­tier­ter Verän­de­rungs­pro­zess, der die gesamte Orga­ni­sa­tion umfasst. Die nieder­län­di­sche Autorin, Trai­ne­rin und Manage­ment-Bera­te­rin Grethe van Geffen (Grün­de­rin und Geschäfts­füh­re­rin der Seba cultu­ur­ma­nage­ment bv) hat hier­für eine praxis­ori­en­tierte Anlei­tung geschrie­ben, wie sich Diver­sity Manage­ment in Orga­ni­sa­tio­nen einfüh­ren und dauer­haft veran­kern lässt. Aus ihrer jahre­lan­gen Bera­ter­tä­tig­keit hat sie zehn Erfolgs­fak­to­ren abge­lei­tet, die für ein nach­hal­ti­ges Diver­sity Manage­ment ausschlag­ge­bend sind:

  1. Eine konkrete Vision für die Bedeu­tung und Gestal­tung von Viel­falt, die zum Leit­bild der Orga­ni­sa­tion passt und sowohl wirt­schaft­li­che als auch soziale Aspekte berück­sich­tigt.
  2. Eine Orga­ni­sa­ti­ons­kul­tur, die sich durch Verän­de­rungs­be­reit­schaft auszeich­net und offen ist gegen­über anders­ar­ti­gem Verhal­ten und unter­schied­li­chen Denk­wei­sen.
  3. Den Mehr­wert von Viel­falt gegen­über Kund*innen und Geschäftspartner*innen sicht­bar machen.7
  4. Breite Unter­stüt­zung und Enga­ge­ment der Führungs­ebene (Vorstand, Geschäfts­füh­rung), um sicher­zu­stel­len, dass die Vorteile von Viel­falt erkannt und die benö­tig­ten Ressour­cen bereit­ge­stellt werden.
  5. Mitarbeiter*innen, die über Viel­falts­kom­pe­tenz verfü­gen und dadurch das notwen­dige Wissen, Fähig­kei­ten und die Moti­va­tion mitbrin­gen, um mit Unter­schie­den umzu­ge­hen.
  6. Führungs­kräfte, die Diver­sity-Dyna­mi­ken erken­nen und benen­nen und so handeln, dass sie stets die Vorteile von Viel­falt im Blick haben.
  7. Mitarbeiter*innenprofile, die einen Über­blick über vorhan­dene und orga­ni­sa­ti­ons­re­le­vante Kompe­ten­zen der einzel­nen Mitarbeiter*innen geben.
  8. Veran­ke­rung von Viel­falts­prin­zi­pien in der stra­te­gi­schen Perso­nal- und Kommu­ni­ka­ti­ons­po­li­tik sowie im Marke­ting und im geleb­ten Führungs­stil.
  9. Quan­ti­ta­tiv ausrei­chende Viel­falt auf allen Ebenen der Orga­ni­sa­tion.
  10. Interne Bewer­tungs­sys­teme, die das Diver­sity Manage­ment von Führungs­kräf­ten evalu­ie­ren.

Grethe van Geffen sieht diese Fakto­ren in keiner bestimm­ten Rang­folge, sondern erach­tet jeden von ihnen als gleich wich­tig. Einer Orga­ni­sa­tion, die ihre Viel­falt im stra­te­gi­schen Sinne erhö­hen möchte, rät sie jedoch, sich im ersten Schritt auf ein bis zwei Fakto­ren zu konzen­trie­ren, die für sie beson­ders rele­vant sind, um diese dann syste­ma­tisch und inten­siv zu bear­bei­ten.

Von der Theo­rie in die Praxis

Die Einfüh­rung von Diver­sity Manage­ment als Change Prozess „Syste­ma­tisch und inten­siv bear­bei­ten“ mag nun erst einmal einfach klin­gen – in der Praxis ist es das oftmals nicht. Denn Verän­de­run­gen brin­gen immer Unruhe in eine Orga­ni­sa­tion – und rufen Wider­stände hervor. Daher soll­ten Einfüh­rung und Inten­si­vie­rung von Diver­sity Manage­ment immer in einen gesteu­er­ten Change Prozess einge­bet­tet sein, der Wider­stände, aber auch unter­stüt­zende Kräfte zu inte­grie­ren weiß.

Das Ziel ist auch dann noch nicht erreicht, wenn man Sätze wie diesen verkün­den kann: „Im Jahr 2012 sind zwei von vier Vorstands­pos­ten von Frauen* besetzt, eine davon ist Türkin. Von den beiden Männern ist einer US-Ameri­ka­ner, der andere körper­be­hin­dert. Die mitt­lere Führungs­riege ist zu 43% mit Frauen* zwischen 28 und 70 besetzt, davon arbei­ten 15% vorüber­ge­hend nur halb­tags, aus Fami­li­en­grün­den (10% der Männer* haben nur eine Halb­tags­stelle). Ein Drit­tel der Beleg­schaft besteht aus Ausländer*innen, unter den Führungs­kräf­ten sind es 26%. 25% sind musli­mi­schen Glau­bens, 10% buddhis­ti­schen Glau­bens, weitere 15% gehö­ren verschie­de­nen ande­ren Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten an.“ (Monica Rühl, Diver­sity- Beauf­tragte, Deut­sche Luft­hansa)

Fürwahr, eine inter­es­sante Konstel­la­tion – jedoch macht eine statis­tisch ausge­wo­gene Mischung von Eigen­schaf­ten noch kein erfolg­rei­ches Diver­sity Manage­ment aus. Entschei­dend für Luft­hansa wird viel­mehr sein, wie man es schafft, dass oben genannte Unter­schiede Funken sprü­hen, die mit neuen Ideen, Welt­of­fen­heit und Perspek­ti­ven­viel­falt das Unter­neh­men inspirieren…Eine Heraus­for­de­rung, die es sich anzu­neh­men lohnt.

1 Als Beginn dieser Denk­rich­tung gilt der Report des Hudson Insti­tuts „Work Force 2000; Work and Workers for the Twenty-First Century“ (1987).
2 http://european-diversity.com/resources/surveys/ibcr/
3 http://www.ey.com/DE/de/Newsroom/News-releases/20130122-Diversity-Management-schoepft-volles-Potenzial-noch-nicht-aus
4 McKin­sey-Studien „Women Matter“ aus den Jahren 2008, 2009 und 2010; http://www.mckinsey.de/html/publikationen/women_matter/
5 http://www.charta-der-vielfalt.de/charta-der-vielfalt/die-charta-im-wortlaut.html
6 http://nachhaltigkeit.daimler.com/reports/daimler/annual/2012/nb/ German/5550/diversity.html
7 Luft­hansa formu­liert dies zum Beispiel so „Mitar­bei­ter-Viel­falt erlaubt uns, opti­mal auf die Wünsche und Anlie­gen unse­rer Kunden einzu­ge­hen. Für eine opti­male Zusam­men­ar­beit müssen Menschen einan­der­ak­zep­tie­ren, wie sie sind. Dies setzt ein Verständ­nis des eige­nen kultu­rel­len Hinter­grun­des voraus. Nur so lässt sich auch das „Andere“ verste­hen.“ http://www.lufthansagroup.com/de/verantwortung/soziale-verantwortung/diversity.html