Entschei­dun­gen tref­fen – und nicht direkt bereuen

1. Oktober 2018 von Desiree Bösemüller

„Die Qual der Wahl“ – jeden Tag können/dürfen/müssen wir hunderte Entschei­dun­gen tref­fen, das fühlt sich nicht immer und nicht für jede/n nach Frei­heits­ge­fühl an. Mit mehr Selbst­or­ga­ni­sa­tion, weni­ger Hier­ar­chie und flexi­ble­ren Arbeits­zei­ten oder ‑plät­zen schei­nen uns Entschei­dun­gen manch­mal über den Kopf zu wach­sen. Fragen lauten dann oft: Wer entschei­det das jetzt eigent­lich? Und wann? Und wie über­haupt?
In diesem Blog­ar­ti­kel gehen wir erst­mal dem Wie nach, um anschlie­ßend einen Blick auf Metho­den für das Tref­fen und die Umset­zung von Entschei­dun­gen zu werfen.

Bauch oder Verstand – wie entschei­den wir?

Karikatur von einer Person, welche vor einem Wegweiser steht der in alle Richtungen zeigt und neben der Person ist ein großes Fragezeichen abgebildet

Sie müssen eine Entschei­dung tref­fen? – gut und schön, aber wie? Gerade im Arbeits­all­tag hören wir oft den Wunsch nach möglichst „ratio­na­len“ Entschei­dun­gen – fakten­ba­siert soll es sein. Wer aber anfängt sich mit dem Thema Entschei­dun­gen ausein­an­der­zu­set­zen, stellt schnell fest: Es gibt hier eine Unmenge an psycho­lo­gi­schen Tests und Studien, die sich insbe­son­dere mit der Frage ausein­an­der­set­zen, wie viel Verstand und wie viel Bauch­ge­fühl unsere Entschei­dungs­fin­dung eigent­lich leitet. Hier ein paar inter­es­sante Auszüge:

  • Anschei­nend neigen wir bei Entschei­dun­gen dazu, die vertrau­tere Alter­na­tive zu wählen – auch wenn für diese ratio­nal erst­mal nichts spricht. Dies liegt wohl an dem Hormon Dopa­min – es verschafft uns ein Gefühl der Beloh­nung, wenn wir etwas wieder­erken­nen (Quelle: idw – Infor­ma­ti­ons­dienst Wissen­schaft). Und viel­leicht hat es auch etwas damit zu tun, dass Unbe­kann­tes erst einmal eher ängs­tigt als lockt?
  • Zwei Forscher führ­ten Ende der 90er Jahre einen Test durch. Sie gaben vor, das Gedächt­nis der Proban­den testen zu wollen. Schließ­lich soll­ten diese sich Ziffern merken, mal zwei, mal sieben. Dann führ­ten die Forscher die Proban­den beiläu­fig an einem Buffet vorbei, an dem es Obst­sa­lat und Scho­ko­la­den­torte gab. Und fanden einen erstaun­li­chen Zusam­men­hang: Je mehr Ziffern die Proban­den gerade im Gedächt­nis zu behal­ten versuch­ten, desto eher entschie­den sie sich für die Torte. Sprich: Wenn der Verstand abge­lenkt ist, hat das Gefühl freies Spiel. (Quelle: Zeit Wissen)

Das Fazit: Wie wir glau­ben zu entschei­den und was uns wirk­lich zu einer (unbe­wuss­ten) Entschei­dung bewegt, kann manch­mal weiter ausein­an­der­lie­gen, als wir denken. Oft spie­len Gefühle eine unbe­wusste Rolle.
Was aber nun tun mit dieser Erkennt­nis? In Orga­ni­sa­tio­nen erle­ben wir häufig, dass Mitar­bei­tende und Führungs­kräfte in Entschei­dun­gen nur oder vor allem Zahlen, Daten, Fakten (ZDF) einbe­zie­hen, während Gefühle ausge­blen­det, negiert oder unter­drückt blei­ben. Letzt­lich ist beides – auch im Arbeits­kon­text – NICHT empfeh­lens­wert: Nur Bauch oder nur Verstand. Wie immer gilt es, ein ausge­wo­ge­nes Mittel­maß zu schaf­fen. Zu langes Grübeln und Fakten wälzen lassen uns Chan­cen verpas­sen, ein stän­di­ges Hören auf den Bauch und blitz­schnel­les Entschei­den lassen uns mögli­cher­weise wich­tige Details, Bezie­hun­gen oder Konse­quen­zen über­se­hen.
Unsere Empfeh­lung an dieser Stelle: Werden Sie sich selber darüber klar, welche Fakten und Gefühle Ihre Entschei­dung beein­flus­sen. Sammeln Sie diese (als Liste oder Mind­map) und seien Sie möglichst ehrlich zu sich selbst.

Metho­den für das Tref­fen von Entschei­dun­gen

Nach­dem Sie nun also die Fakten und Gefühle „auf den Tisch gepackt haben“, folgt Schritt zwei: Das eigent­li­che Entschei­den.

Karikatur von einer Person, die Jongliert mit 4 Bällen

Hier gibt es eine große Anzahl an Metho­den und Instru­men­ten für Entschei­dun­gen, von denen wir nun ein paar nennen wollen, die sich vor allem für Indi­vi­du­al­ent­schei­dun­gen eige­nen. Beson­ders im Kontext von Selbst­steue­rung in Teams und Orga­ni­sa­tio­nen gewin­nen diese Metho­den aktu­ell wieder an Bedeu­tung. Denn: Letzt­lich geht es immer darum, Entschei­dun­gen möglichst valide zugleich aber auch schnell zu tref­fen und dabei das Wissen bzw. die Intui­tion derer zu nutzen, die die Entschei­dung tref­fen bzw. davon betrof­fen sind.

Der Blick in die Vergan­gen­heit

Eine Methode, die Refle­xion erfor­dert: Schnap­pen Sie sich ein leeres Blatt Papier. Sammeln Sie mindes­tens drei schwie­rige Entschei­dun­gen, die Sie in Ihrem Leben bereits getrof­fen haben / tref­fen muss­ten. Schrei­ben Sie zunächst den Entschei­dungs­ge­gen­stand auf. Über­le­gen Sie dann: War es eine für Sie sinn­volle Entschei­dung? Wie sind Sie zur Entschei­dung gekom­men? Welche Aspekte waren ausschlag­ge­bend für Ihre Entschei­dung? Wer oder was hat Ihnen bei der Entschei­dung gehol­fen? Lernen Sie aus Ihren Erfah­run­gen – ob nun „Fehl­ent­schei­dun­gen“ oder „beste Entschei­dung Ihres Lebens“: Lassen Sie sich von Ihrer Vergan­gen­heit inspi­rie­ren und trans­fe­rie­ren Sie dieses Wissen auf Ihre jetzige Entschei­dungs­si­tua­tion.

Der Blick in die Zukunft

Der Blick in die Vergan­gen­heit wirft bei Ihnen eher dunkle Wolken auf? – Versu­chen Sie es mit dem Blick in die Zukunft. Bei dieser Methode geht es darum, die Folgen einer Entschei­dung für die nächs­ten
… 10 Minu­ten
… 10 Monate
… 10 Jahre
abzu­wä­gen. Die Entschei­dung also kurz‑, mittel- und lang­fris­tig unter die Lupe zu nehmen. Eine sehr hilf­rei­che Methode, um sich selbst zu „über­lis­ten“, denn oft entschei­den wir uns für die kurz­fris­tige Lösung und somit für die schnellste Beloh­nung.
Übri­gens: Diese Methode stammt von Suzy Welch, ameri­ka­ni­sche Wirt­schafts-Jour­na­lis­tin, TV-Mode­ra­te­rin und Coach (siehe auch: Buch “10−10−10: A Life-Trans­forming Idea” von Suzy Welch, Scrib­ner Verlag, 2009).

Gewich­tun­gen bei schwie­ri­gen Entschei­dun­gen

Die genann­ten Metho­den waren Ihnen zu verspielt? Das Entschei­den durch Gewich­ten hat etwas eher Analy­ti­sches und kann unter Umstän­den Zeit in Anspruch nehmen. Bei dieser Methode gehen Sie jeden Aspekt (Fakten, Gefühle, etc.) einzeln durch und gewich­ten jeden indi­vi­du­ell nach dessen Einfluss auf das zu Entschei­dende. Begin­nen Sie der Einfach­heit halber mit einem Aspekt, den Sie als beson­ders einfluss­reich und mit einem, den Sie nahezu ohne Einfluss bewer­ten. Diese Aspekte dienen Ihnen dann als Vergleichs­wert für die ande­ren Aspekte.
Sobald alle Aspekte gewich­tet sind, über­le­gen Sie sich folgen­des: Welchen Einfluss hat Ihre Entschei­dung lang­fris­tig auf die höchst-gewich­te­ten Aspekte? Welche nega­ti­ven, posi­ti­ven, neutra­len Konse­quen­zen gibt es? Probie­ren Sie gern auch verschie­dene Entschei­dungs-Szena­rien aus und schauen Sie auf die Auswir­kun­gen… Und dann: Tref­fen Sie eine Entschei­dung.
Ein verein­fach­tes Beispiel an dieser Stelle: Fahre ich mit dem Fahr­rad zur Arbeit? Posi­tive Aspekte für mich könn­ten z.B. sein Nach­hal­tig­keit, Geld­erspar­nis; nega­tive Aspekte beispiel­weise das gefühlte Sicher­heits­ri­siko (Schle­si­sches Tor als Unfall­stelle Nummer #1), neutral könnte der zeit­li­che Aspekt sein. Nun könnte ich verschie­dene Szena­rien durch­spie­len. Sollte das gefühlte Sicher­heits­ri­siko so hoch sein, könnte ich z.B. auch alter­na­tive Wege suchen, mich trotz Verzicht auf Fahr­rad nach­hal­ti­ger im Alltag zu bewe­gen.

Recher­chie­ren oder Rat einho­len

Sie selbst drehen sich noch immer im Kreis? Dann wird es ggf. Zeit für eine Recher­che: Studien, Expert/innen, Panel­dis­kus­sio­nen, ggf. YouTube-Videos. Werden Sie sich klar: Auf welche Frage möch­ten Sie eine Antwort haben. Suchen Sie dann gezielt nach Beiträ­gen. Neben der Recher­che wäre es außer­dem möglich, weitere Perso­nen zu befra­gen. Auch hier der Hinweis: Lieber erst Perso­nen um Rat bitten, wenn schon eine erste Orien­tie­rung und Ziel­set­zung fest­steht – sonst gilt „zu viele Köche verder­ben den Brei“. Meinun­gen sind dann ggf. nicht mehr hilf­reich sondern irre­füh­rend und leiten Sie von Ihrer eigent­li­chen Frage­stel­lung womög­lich sogar eher weg.

Und nun? Entschei­den Sie sich oder setzen Sie sich eine Dead­line, bis wann Sie entschie­den haben wollen / müssen / dürfen.

Eigene Entschei­dun­gen umset­zen

Erstel­len Sie nach der Entschei­dung kleine Arbeits­pa­kete, die Sie bereits in den nächs­ten 72 Stun­den (drei Tagen) durch erste kleine Schritte gezielt umset­zen können. Immer daran denken: Ein Schritt nach dem ande­ren, über­for­dern Sie sich nicht.

Eisen­hower Matrix

Viel­leicht rollt nun trotz­dem eine lange Liste an To-Dos auf Sie zu und Sie wissen nicht, wo Sie anfan­gen sollen? Wir empfeh­len zum Prio­ri­sie­ren der To-Dos die Eisen­hower Matrix. Aufga­ben werden jeweils nach Dring­lich­keit und Wich­tig­keit in die Matrix sortiert und anschlie­ßend wird entwe­der sofort erle­digt, termi­niert, dele­giert oder zurück­ge­stellt.

Abbildung einer To-Do-Liste

Choi­cing

Eine weitere Vari­ante ist das Choi­cing – eine Prio­ri­sie­rung durch Auswahl. Dabei ist die Annahme, dass wir nur bei bis zu drei Alter­na­ti­ven eine schnelle Prio­ri­sie­rung vorneh­men können. To-Do-Liste werden also in 3er-Grup­pen geteilt, dann wird in jeder Gruppe prio­ri­siert und schließ­lich unter den Grup­pen. Auf agilement.de/freechocing gibt es für diese Methode ein digi­ta­les Tool und die ausführ­li­che Erklä­rung finden Sie im YouTube-Video. Probie­ren Sie es einfach mal aus!

Allge­meine Impulse für das Tref­fen von Entschei­dun­gen

Genug Metho­den für heute! Zu guter Letzt möch­ten wir Ihnen noch ein paar allge­meine Impulse für das Tref­fen von Entschei­dun­gen mit auf den Weg geben:

  • Bei den meis­ten Entschei­dun­gen gibt es schlicht­weg kein „rich­tig“ oder „falsch“. Wir leben in so komple­xen Zeiten, dass eine so simpli­fi­zie­rende Kate­go­ri­sie­rung wie diese nicht möglich bzw. nicht sinn­voll ist. Viel­leicht nimmt das manch­mal auch den Druck – es geht schließ­lich selten um das „große Ganze“.
  • Deswe­gen gewöh­nen wir uns lieber auch an Fehl­ent­schei­dun­gen. Diese werden – trotz aller Metho­den – vorkom­men. Sie gehö­ren zum Leben dazu und sind Lern­erfah­run­gen. Hier kommt eines unse­rer Lieb­lings­zi­tate von Marshall B. Rosen­berg ins Spiel: Alles, was es wert ist getan zu werden, ist es auch wert, unvoll­kom­men getan zu werden.
  • Lassen Sie sich auch von komple­xen und schwie­ri­gen Entschei­dun­gen nicht aus der Ruhe brin­gen, sondern räumen Sie sich bewusst Zeit für diese ein. Im Allge­mei­nen gilt übri­gen, dass Sie Entschei­dun­gen nicht unter Stress tref­fen soll­ten, denn Stress sorgt für die Ausschüt­tung von Corti­sol und Norad­re­na­lin, welche das Denken blockie­ren. (Quelle: Zeit Campus)
  • Schaf­fen Sie sich Entschei­dungs­rou­ti­nen. Routi­nen helfen – sie schaf­fen Gewohn­hei­ten.
  • Freuen Sie sich über Ihre Entschei­dung – trau­ern Sie nicht den verpass­ten Möglich­kei­ten hinter­her. Viel­leicht ergibt sich auch mal die Möglich­keit die eigene Entschei­dung zu feiern – probie­ren Sie es aus!

Wir hoffen, Ihnen ein paar nütz­li­che Metho­den und Impulse mit an die Hand gege­ben zu haben. Über Rück­mel­dun­gen und Feed­back freuen wir uns wie immer!