Einblick in die Praxis: Virtualisierung eines 5‑tägigen Trainings im internationalen Kontext mit WebEx
29. Juli 2020 von Carla Riedel
Corona macht vieles möglich, was undenkbar schien. Die Arbeit aus dem Homeoffice z.B. gehörte vielerorts plötzlich zur Tagesordnung, wo das vorher nicht der Fall war – und viele Organisationen wollen Home Office nun sogar beibehalten bzw. weiterdenken. Aber es gibt natürlich auch viele andere Bereiche, in denen tiefgreifende Veränderungen stattfinden. So auch in unserer Beratungs- und Trainingspraxis – wurden wir bis März noch überwiegend für Präsenzveranstaltungen angefragt, hat sich das Blatt nun gewendet und wir dürfen virtuell ran. Unsere Erfahrungen sind vielfältig, eine wollen wir hier mit Ihnen teilen und exemplarisch beschreiben, wie wir eine Kundin von uns bei der Virtualisierung eines Trainingskonzeptes unterstützt haben, welche Herausforderungen das mit sich brachte und welche positiven Effekte es gibt.
Die Herausforderung: Technische Tools & internationaler Kontext
Die Aufgabe bestand darin, ein fünftägiges Präsenztraining, für das einmal im Jahr Teilnehmende aus aller Welt nach Deutschland reisen, vollkommen virtuell durchzuführen. Hierbei sollten die Ziele: Updating zu spezifischen Fachthemen, Lernen und Vernetzung in den virtuellen Raum übersetzt werden. An diesem virtuellen „Pionierkurs“ haben elf Teilnehmer*innen aus insgesamt sieben Ländern teilgenommen.
Viele Organisationen, so auch in dieser Praxiserfahrung, haben (oft zu recht!) mit hohen Sicherheitsanforderungen und Hürden für die (Neu-) Einführung von technischen Tools zu kämpfen. In unserer Beratungspraxis heißt das: Unsere Kund*innen arbeiten oft mit unterschiedlichen Tools – je nach interner Genehmigung und wir beachten selbstverständlich die Vorgaben unserer Kund*innen. In diesem Beispiel war die Verwendung von WebEx Meeting vorgeschrieben, was – wie der Name schon sagt – eher auf die Durchführung von Meetings als von Trainings ausgerichtet ist. Unser Glück: Mentimeter (Umfrage/Voting-Tool) und Miro (virtuelle Pinnwand) durften wir verwenden, da diese Tools als browserbasierte Dienste keine Anmeldung erfordern und wir keine kritischen Daten abfragen bzw. darstellen wollten.
Weitere Herausforderung: Die 5 aufeinanderfolgenden Trainingstage sollten bestehen bleiben – die Termine waren bei den Teilnehmenden lange reserviert und konnten so kurzfristig nicht verschoben werden. Zudem sollten möglichst große Zeitfenster von ca. 6 Arbeitsstunden pro Tag genutzt werden.
Umsetzung: Updating, Lernen, Vernetzen im virtuellen Raum
Die Ziele des Trainings – Updating, Lernen, Vernetzen – lassen sich unterschiedlich gut in den virtuellen Raum übersetzen. Vorhandenes Wissen lässt sich zwar prima im virtuellen Training updaten, allerdings ist die gemeinsame Zeit dafür fast zu schade. Wir empfehlen, diesen Teil dem Training vorzulagern, z.B. indem den Teilnehmenden PPT Präsentationen mit Voice Over (mündliche Erläuterungen der Referent*innen) zur Verfügung gestellt werden, die diese sich individuell in ihrem Tempo und zu einem geeigneten Zeitpunkt asynchron anschauen können. Dazu könnten kleine Quizfragen zur Lernerfolgskontrolle bereitgestellt und Verständnis- oder Vertiefungsfragen vorab eingesammelt werden. Im Training stellt sich dann die Frage: Was ist das Ziel des Updating im gemeinsamen Raum? Beispiele könnten sein: Vergemeinschaftung / vertiefende Erklärung durch die gesammelten Fragen, Umfragen zu Prioritäten von Themen, Ideensammlung für weitere Updates o.ä.
Auch ein Erfahrungsaustausch lässt sich virtuell gut organisieren, allerdings benötigt dies mehr Zeit als in Präsenzveranstaltungen. Dieser Teil kam an manchen Stellen des Pilottrainings etwas zu kurz, da die Informationsvermittlung mehr Zeit in Anspruch nahm als geplant. Das lag u.a. daran, dass hier über die fünf Tage verteilt 12 Expert*innen hinzugeschaltet werden mussten, die z.T. mit technische Schwierigkeiten zu kämpfen hatten.
Herausfordernder wird es im Bereich Vernetzung. Wie lassen sich Teilnehmer*innen untereinander wirklich in Kontakt bringen? Wie lassen sich Arbeitsbeziehungen fördern, die ggf. auch über das Training hinaus Bestand haben, wo man einfach mal telefonisch nach den entsprechenden Erfahrungen fragt – auch über Kontinente und Zeitzonen hinweg?
Gespräche auf dem Weg zum Buffet oder beim Referent*innenwechsel fehlen im virtuellen Raum und daher ist Kreativität gefragt. Wir haben uns einiges einfallen lassen, um den (informellen) Austausch nicht zu kurz kommen zu lassen. So haben wir ein „Surprising Event“ veranstaltet, bei dem jeden Tag einige Teilnehmer*innen etwas Persönliches aus Ihrem Leben mit allen teilten. Wir haben dabei Kinder und Katzen gesehen, von Vogelscheuchen-Kostümen gehört sowie über Lieblingsessen und unerfüllte Berufsträume („Würde ich nicht als Moderator*in arbeiten, wäre ich Schuhmacher*in geworden – wie mein Großvater!“) erfahren. Außerdem haben wir immer wieder virtuelle Energizer eingebaut und gemeinsame Rituale, wie das Applaudieren in Gebärdensprache, eingeführt. So wird der Applaus sichtbar, aber nicht hörbar, was Störgeräusche und Probleme beim Ton ein- und ausschalten geschickt umgeht.
Für zukünftige virtuelle Veranstaltungen kann dieser Effekt zudem, z.B. durch die Etablierung von Peer-Groups, verstärkt werden.
Wichtig: Ausführliche Auswertung & Debrief
Wir legen generell Wert auf das Debriefing nach einem Auftrag, hier gibt es die Gelegenheit auf die gemeinsame Arbeit zu schauen, Wahrnehmungen untereinander abzugleichen, zu reflektieren und Lessons Learned abzuleiten. Bei solch einem Piloten ist eine gründliche Auswertung natürlich noch einmal wichtiger. Um dieses Debriefing vorzubereiten haben wir: (1) An jedem Trainingstag-Ende eine kurze Auswertung mit den Teilnehmenden vorgenommen, (2) einen detaillierten Evaluationsbogen im Anschluss an die Veranstaltung an die Teilnehmenden geschickt, (3) uns denkmodell intern ausgetauscht, und sind schließlich (4) mit den zusammengetragenen Materialien in das Abschlussgespräch mit der Auftraggeberin gegangen. (5) Im Nachgang haben wir die gesammelten Erkenntnisse noch schriftlich zusammengefasst, damit sie auch in der Organisation der Kundin zirkulieren und im Sinne des Wissensmanagements genutzt werden können (übrigens auch in unserer Oragnisation – wir lernen schließlich auch immer dazu). Für uns ein erfreulicher Nebeneffekt: Die Auftraggeberin hat durch das Training gleich selbst ihre Expertise im Umgang mit WebEx Meeting aufgebaut und kann nun andere Organisationsmitglieder bei der Planung und Umsetzung von Veranstaltungen mit der Technologie beraten. Selbstverständlich stehen wir bei Fragen auch gern beratend zur Verfügung.
Unsere Empfehlungen: Flexiblere Formate
Eine Chance von virtuellen Veranstaltungen liegt darin, dass sie, vor allem bei einer internationalen Teilnehmer*innenschaft, flexibler planbar sind als solche in Präsenz. Wir möchten zukünftig anregen, neue und kürzere Formate anzubieten. Insgesamt empfehlen wir mit festen Gruppen von bis zu zwölf Teilnehmer*innen zu arbeiten. Einige Formate, wie z.B. die „Sprechstunden“ (s.u.), können jedoch problemlos für eine größere (und nicht festbleibende) Personenanzahl geöffnet werden.
Hier einige Beispiele für Formate:
- Meet Ups: In regelmäßigen Abständen können 90-minütige Veranstaltungen zu aktuellen Themen angeboten werden.
- Peer Groups: Durch kleine, feste Gruppen von drei bis vier Personen, die sich regelmäßig und selbstorganisiert online treffen, können Erfahrungsaustausch, Lernen und Vernetzung angeregt werden. Methoden wie z.B. Peer Coaching können dabei unterstützen.
- Sprechstunden: Bei Themen zu denen aktuelles Fachwissen von Nöten ist, können von den entsprechenden Expert*innen regelmäßig oder bei Bedarf feste Sprechstunden angeboten werden, um sicherzustellen, dass aufkommende Fragen zeitnah geklärt werden können.
- Selbstlernen: Die Inhalte können per PPT mit Voiceover zum Selbstlernen zur Verfügung gestellt werden. Quizfragen zur Lernerfolgskontrolle können bereitgestellt und Nachfragen bereits für die Expert*innen eingesammelt werden. Auch Podcast-Interviews oder Videobotschaften können hier gewinnbringend eingesetzt werden. Wichtig ist es hier auf die Zielgruppenfokussierung zu achten: Was genau brauchen die Teilnehmer*innen? Wie kann das am besten vermittelt werden?
- Suprising Events: Bei dem Format bekommt jede*r Teilehmer*in die Gelegenheit allen anderen etwas persönliches über sich zu zeigen oder zu erzählen. Das kann in einem schnellen Impuls von ein bis zwei Minuten geschehen oder auch ausführlicher – je nach Zeitkontingent, Bedarf und Zielstellung.
- Gemeinsame Kaffeepause: 5–10 Minuten vor dem Ende einer Kaffeepause laden wir freiwillige Teilnehmer*innen zum informellen Plausch „am Kaffeetresen“ ein. Mit einem Kaffee oder Tee in der Hand, ein wenig stimmungsvoller Musik und ggf. gesprächsanregenden Fragen bringen wir die Teilnehmer*innen auch virtuell und informell in den Kontakt.
Zukunftsperspektive: Blended Learning
Auch wenn irgendwann Präsenztrainings mit internationalen Teilnehmenden wieder möglich sind, gibt es durch die Einführung von Blended Learning erhebliche Chancen, die es unserer Meinung nach zu nutzen gilt! So können die Stärken des virtuellen Lernens mit denen von Präsenzveranstaltungen sinnvoll kombiniert werden. Durch eine vorgelagerte (virtuelle) Informationsvermittlung kann die Zeit im Training selbst auf den Erfahrungsaustausch und der Bearbeitung von Critical Incidents (exemplarische Problemsituationen und Fälle) fokussieren. Auch die Vernetzung der Teilnehmenden kann unterstützt werden, z.B. durch das Etablieren von virtuellen Peergroups. Besonders aus Umweltschutzgründen befürworten wir ganz klar auch nach der aktuellen Pandemiesituation eine gut durchdachte Mischung aus Präsenz und virtuellen Formaten – gleichzeitig können damit auch Reisekosten (und CO2) gespart werden.
Unser Fazit
Ein virtuelles Training ist nicht dasgleiche wie ein Präsenztraining! Es geht einiges an Kontakt verloren und doch sind wir immer wieder überrascht, wie viel dann eben doch auch im virtuellen Raum geht. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden nach der Durchführung des ersten Pilottrainings bei unseren Kund*innen sind jedenfalls so positiv, dass auch die Kund*innen selbst Freude am weiteren Ausprobieren und nächsten Schritten in Richtung virtueller bzw. hybrider Weiterbildungsangebote haben.
Auch mit weniger geeigneten Technologien lassen sich, allerdings mit erheblichem Ressourceneinsatz, für die Teilnehmenden gewinnbringende Trainings veranstalten. Von Bedeutung ist dabei nicht so sehr, dass alles glatt läuft (es gab und wird immer wieder viele technische Fails und Dinge geben, die nicht so geklappt haben wie geplant!), sondern dass eine Reflexion und ein Lernen für die Zukunft stattfindet. Bei einer guten Zusammenarbeit mit der*dem Auftraggeber*in lässt sich salopp gesagt „so einiges wuppen“! Und wertvolle kulturelle Impulse für die gesamte Organisation gibt es obendrein.
Haben Sie bereits Erfahrungen mit virtuellen und kombinierte Veranstaltungsformaten gemacht? Worauf gilt es in Ihren Augen zu achten? Wir freuen uns über Ihre anregenden Kommentare und Ideen.
Und wer sich fit machen will in Moderation oder virtueller Moderation, ist bei unseren Trainings an der richtigen Stelle!