Von Tagträu­men­den und Verhin­de­rern: Wie erfolg­rei­che Teams Unter­schiede produk­tiv nutzen

6. November 2024 von Philipp Scharff

Was macht eigent­lich erfolg­rei­che Teams aus? Diese Frage hat sich auch Google gestellt – und kam in seiner bekann­ten Aris­to­te­les-Studie zu span­nen­den Ergeb­nis­sen: Nicht etwa die Zusam­men­set­zung des Teams war entschei­dend für den Erfolg – sondern die psycho­lo­gi­sche Sicher­heit. Sie beschreibt das Gefühl, dass Team­mit­glie­der Risi­ken einge­hen, Fehler zuge­ben oder offen ihre Meinung äußern können, ohne Angst vor nega­ti­ven Konse­quen­zen zu haben. Teams mit hoher psycho­lo­gi­scher Sicher­heit zeigen bessere Leis­tung, da sie krea­ti­ver und enga­gier­ter zusam­men­ar­bei­ten.

So weit so gut – aber was bedeu­tet das konkret für ein Team?

In Teams arbei­ten ganz unter­schied­li­che Menschen zusam­men für ein gemein­sa­mes Ziel. Eine der Kern­her­aus­for­de­run­gen, mit der jedes Team zu tun hat, ist die Unter­schied­lich­keit ihrer Mitglie­der. Menschen sind einfach sehr verschie­den – oder wie man in Köln sagt „Jeder ‚Jeck‘ ist anders!“

Das stellt Teams vor eine beson­dere Aufgabe: Sie müssen einen Umgang mit blei­ben­den Unter­schie­den finden. Denn wo Abwer­tung oder Bewer­tung von Unter­schied­lich­keit statt­fin­det, gibt es keine psycho­lo­gi­sche Sicher­heit.

Ein Beispiel

Hand aufs Herz: Ich bin nicht sonder­lich ordent­lich. Datei­ab­la­gen sauber zu pfle­gen, die neuste Vorlage zu verwen­den und die Daten auf der Reise­kos­ten­ab­rech­nung noch­mal zu kontrol­lie­ren, fällt mir schwer. Dafür kann ich gut in unstruk­tu­rier­ten Situa­tio­nen handeln und empfinde den Ordnungs­an­spruch meiner Kolle­gin manch­mal als zu peni­bel.
Denn meine Kolle­gin ist da ganz anders: Ihr fällt die Ordnung leicht, sie macht das gerne, findet Gesuch­tes sofort und es stresst sie, wenn ich Daten nicht ordent­lich ablege. Und so sammeln sich im Laufe der Zusam­men­ar­beit klei­nere und größere Irri­ta­tio­nen an – bei uns beiden. Denn: Immer wieder fragt sie sich, warum ich mich so komisch verhalte – und anders­herum. Und sind wir mal ehrlich: Am schöns­ten wäre es doch, wenn die ande­ren endlich so wären, wie ich das gerne hätte…

Unter­schiede können also gewal­tig nerven! So geht es den meis­ten Teams – und nicht selten werden aus diesen Irri­ta­tio­nen schwe­lende und belas­tende Konflikte.

Eine Spra­che für Unter­schiede

Wir nutzen in unse­rer Arbeit mit Teams den LINC Perso­na­lity Profi­ler – ein nach neues­ten psycho­lo­gi­schen Stan­dards entwi­ckel­tes Persön­lich­keits­por­trait (basie­rend auf den BigFive). Der Vorteil dieses Instru­ments: Es beschreibt ganz wunder­bar eine Viel­zahl von typi­schen Unter­schie­den zwischen Menschen.

Verän­de­rung ja oder nein?

Neben der oben bereits zitier­ten Ordnungs­ori­en­tie­rung ist ein häufi­ger Unter­schied die Facette Hand­lungs­in­no­va­tion versus Hand­lungs­kon­ti­nui­tät. Klingt erst­mal sper­rig – werden Sie aber gut kennen. Menschen mit einer hohen Hand­lungs­in­no­va­tion lieben neue Akti­vi­tä­ten und sind Verän­de­run­gen gegen­über sehr offen. Menschen mit hoher Hand­lungs­kon­ti­nui­tät hinge­gen schät­zen das Bewährte und erwar­ten, dass Neues sich in der Reali­tät erst­mal beweist.

Stel­len Sie sich nun Menschen mit ganz unter­schied­li­chen Ausprä­gun­gen dieser Facette in einem Team vor. Da pral­len Welten aufein­an­der und nicht selten werden die Unter­schiede nega­tiv bewer­tet: Da sind die „Tagträu­men­den“ auf der einen Seite, „die ‚jeder neuen Sau, die durchs Dorf getrie­ben wird,‘ hinter­her­lau­fen“. Und auf der ande­ren Seite werden die „ewig gest­ri­gen Verhin­de­rer“ ausge­macht. Alles sehr mensch­lich. Aber in der Wirkung bedeu­tet dies, dass die psycho­lo­gi­sche Sicher­heit abhan­den­kommt.

„Gibt es da nicht etwas von Ratio­ph­arm?“

Genau hier hilft unsere Arbeit mit Teams. Denn mithilfe der unter­schied­li­chen Facet­ten aus den BigFive, können die bestehen­den und blei­ben­den Unter­schiede in Teams plötz­lich sicht­bar – also bewusst gemacht werden. Und sie erhal­ten eine Spra­che – und zwar eine Posi­tive.

Konkret bedeu­tet das, dass wir mit dem Team reflek­tie­ren: Wo erlebt Ihr diese Unter­schied­lich­kei­ten im konkre­ten Alltag? Welche Quali­tä­ten stecken in den unter­schied­li­chen Ausprä­gun­gen? Was wäre ein „Zuviel des jeweils Guten“? Was könnte Euch in der der Zusam­men­ar­beit in Zukunft helfen?

So wird z.B. deut­lich, dass sowohl in der Hand­lungs­in­no­va­tion als auch in der Hand­lungs­kon­ti­nui­tät für das Team wich­tige Quali­tä­ten stecken. Sie also beides sehr gut gebrau­chen können – sowohl die Begeis­te­rung für Neues als auch das sorg­fäl­tige Prüfen, ob Neues auch tatsäch­lich zu einer Verbes­se­rung beitra­gen kann. Und die Team­mit­glie­der erar­bei­ten, was für sie jeweils hilf­reich ist, um diese Quali­tä­ten auch nutzen zu können. Teams erhal­ten also ein Bewusst­sein und eine Spra­che für Unter­schiede – für einen produk­ti­ven Umgang damit.

Mehr als ein Stroh­feuer

Wir wissen, dass viele Team­work­shops zwar allen Betei­lig­ten gut tun, im Alltag jedoch oft wenig Wirkung zeigen. Umso mehr freut uns, wie häufig Teams berich­ten, welche Wirkung diese Arbeit in ihrem Alltag entfacht. Sie berich­ten zum Beispiel davon, wie ihnen in ange­spann­ten Situa­tio­nen das Wissen und die Spra­che für die Unter­schiede gehol­fen hat, schein­bar verfah­rene Situa­tio­nen und Span­nun­gen aufzu­lö­sen.  Es freut uns regel­mä­ßig zu sehen, wie kraft­voll das Verständ­nis von Viel­falt sein kann, um gemein­sam erfolg­reich Heraus­for­de­run­gen zu meis­tern.