Wie kann jede Organisation ihre Innovationsfreude steigern?
13. Januar 2017 von Anna Schulte
Produktzyklen werden immer kürzer und innovativ zu sein ist eine beständige Anforderung an Unternehmen. Dabei geht es nicht nur darum, in einem kreativen Umfeld mit wohltuender Arbeitsatmosphäre etwas Neues zu schaffen, sondern auch um die dauernde Gefahr, jemand anderes könnte einem damit zuvor kommen und so möglicherweise dem eigenen Produkt oder der eigenen Dienstleistung die Daseinsberechtigung entziehen. Innovativ zu sein ist also eine Frage des Überlebens und keine – auch wenn manche Bilder aus der Start-Up-Welt dies vermuten ließen – rein spaßgetriebene Tätigkeit.
Wie Freude an Innovation leben und fördern – in einer sogenannten „VUCA-Welt“?
In den letzten Jahren taucht der Begriff „VUCA-Welt“ immer wieder auf, weil er die Eigenschaften der Welt der immer kürzer werdenden Produktzyklen, in der wir heute agieren, treffend beschreibt: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Vieldeutigkeit (V=Volatility, U=Uncertainty, C=Complexity, A=Ambiguety.) Diese Eigenschaften erfordern neue Kompetenzen und verdeutlichen die Notwendigkeit agiler Arbeitsweisen und neuer Innovationsmethoden.
Heute möchten wir die Frage stellen: Wie gelingt es, Freude an Innovation – und damit auch Freude an Veränderung – zu wahren und zu steigern? Wie kann eine Unternehmenskultur gelebt werden, in der Mitarbeitende freudvoll innovativ sind?
Selbsterkenntnis fördern: Wir sind alle kreativ
Innovation braucht Kreativität – und nur wenige Menschen behaupten von sich selbst kreativ zu sein. Die vor kurzem veröffentlichte globale Studie “State of Create 2016“zeigt auf: 70% der international Befragten sind der Meinung, kreativ zu sein sei wichtig, um ein*e gute*r Mitarbeiter*in, Führungskraft, ja sogar Eltern und Studierende*r zu sein. Nichtsdestotrotz behaupten gerade mal 41% derselben Gruppe von sich selbst, kreativ zu sein – nur 31% schöpfen nach eigener Einschätzung ihr kreatives Potential aus.
Kreativität aber ist eine Voraussetzung für Innovation. Um also Freude an Innovation und somit Innovation selbst zu fördern, hilft es, dem Einzelnen die Möglichkeit zu geben, sein kreatives Potenzial zu entdecken und auszuleben. Wo aber wird das (außerhalb von F&E‑Abteilungen und Innovationsinkubatoren) in klassischen Unternehmen gelebt? Wir sind sozialisiert als abwägende, zögernde, kritische, urteilende Individuen und arbeiten oft in einem Umfeld, das unser kreatives Potential nicht nur nicht fördert, sondern oft sogar bremst.
Schritt eins könnte also sein: Holen Sie Kreativität und Innovation raus aus der Nische der „Kreativabteilungen“ und schaffen Sie Freiräume für Ihre Mitarbeitenden!
Ermutigen Sie jede*n einzelne*n dazu, kreatives Potential einzubringen und schaffen Sie Raum für Kreativ-Phasen – sei es in Brainstorming-Sessions oder bei „Kreativ-Tagen“. Wichtig dabei ist es, von Beginn an einen festen Zeitrahmen vorzugeben: Geben Sie Ihren Mitarbeitendenzeitliche Kapazitäten an die Hand, um wirklich frei zu denken (z.B. eine „Denker-Stunde“ pro Woche). Entsprechende Räumlichkeiten können das kreative Denken zudem befördern (lesen Sie hier mehr zu geeigneten Räumlichkeiten). Und: Lassen Sie innerhalb der „Kreativzone“ bestehende Hierarchieunterschiede an der Eingangstür, denn jede*r ist kreativ, das gilt job- und positionsunabhängig.
Selbstwirksamkeit fördern: Umsetzung oder Feedback zu eigenen Ideen
„Ach wie schön!“ – könnte nun ein berechtigter Einwand sein. „Haben wir doch schon alles gehabt – bunte Kärtchen, tolle Ideen…und am Ende wurde nichts damit gemacht. Warum soll ich mich da einbringen?“ In der Tat passiert das häufig und ist ein ziemlich nachvollziehbarer Grund dafür, dass Kreativitäts- und Innovationsprozesse nicht mit Freude, sondern vielmehr mit Frust verbunden sind. Damit Menschen sich freudig und motiviert an kreativen Prozessen beteiligen, müssen sie erleben, dass die eigenen Ideen (oder die der anderen) wirksam werden. Wir möchten Rückmeldungen darauf, was wir einbringen. Was bringt eine Feedback- oder Ideenbox, wenn niemand auf mein Feedback oder meine Ideen reagiert? Das heißt nicht, dass alle Ideen immer umgesetzt werden müssen, es braucht nur ein Feedback – und zwar zu jeder Idee. Nur wenn ich erlebe, dass Ideen mit Feedback wertgeschätzt oder gar umgesetzt werden und als Innovationen wirklichen Mehrwert schaffen, angenommen werden und wirken, kann ich am Ende Freude daran bewahren.
Schritt zwei muss also lauten: Wenn kreative Potenziale angeregt werden, müssen Mitarbeiter*innen auch erfahren, dass sie eigene Ideen umsetzen können.
Die Kommunikation einer Führungskraft muss in zwei Richtungen fließen: Einerseits gilt es, spezifisches Feedback zu innovativen Ideen zu geben und andererseits aus Organisationsperspektive aufzuklären, was aus den Ideen geworden ist, ob und wie sie umgesetzt worden sind. Eine persönliche, konstruktive Rückmeldung kann an dieser Stelle mehr Innovationsfreude hervorrufen, als es eine flexible Räumlichkeit jemals zu schaffen vermag. Eine weitere Möglichkeit ist auch, Teams eigenverantwortlich arbeiten und somit auch Innovationen eigenverantwortlich umsetzen zu lassen. Damit übernimmt das Team die Verantwortung für ihre Ideen – die Führungskraft tritt in den Hintergrund. Wichtig ist dann allerdings, Klarheit zu schaffen, wieviel Spielraum und Entscheidungsbefugnisse das Team wirklich hat (Zeitumfang, „Must-Have’s“, Budgets).
Ermüdung vermeiden: Innovationen verdauen
Und wieder fällt uns dazu direkt ein berechtigter Einwand ein, der da lauten könnte: „Dauernd alles wieder in Frage stellen! Kaum hat sich etwas etabliert, sollen wir es schon wieder neu denken – manchmal haben wir nicht einmal mehr Zeit, Veränderungen wirklich zu (er)leben.“ Hier gibt es aus unserer Sicht keine feste Formel und mal wieder kein Patentrezept – aber wie in allen Veränderungsprozessen ist es auch hier wichtig, den eigenen Rhythmus und den der Mitarbeitenden zu kennen.
Schritt drei wäre dann: Raum geben, um Neues zu verdauen und aufzunehmen.
Sollte ein Innovationsprozess stattgefunden haben, empfehlen wir eine intensive Lessons-Learned-Runde im Team, um Lernerfahrungen zusammenzutragen und zu verschriftlichen. So lassen sich Fehlerredundanzen vermeiden und eine aktive Auseinandersetzung mit der Veränderung ist gewährleistet. In diesem Rahmen können Weiterentwicklungen und Herausforderungen mit der Neuerung geklärt werden. Das Springen von einer zur nächsten Veränderung ohne ein zwischenzeitliches Reflektieren führt auf lange Sicht zur Ermüdung der Mitarbeitenden. Außerdem wird die Wirksamkeit der Ideenumsetzung durch ein ständiges Innovieren gehemmt.
Wie denn nun genau?
Überstürzen Sie nichts und gehen Sie Schritt für Schritt vor. Wenn Sie jetzt das Gefühl haben „Oh Gott, das wird bei uns doch nie was!“ – empfehlen wir Ihnen mal in Organisationen aus der gleichen (oder einer ähnlichen) Branche, die eine „florierenden“ Innovationskultur haben, hinein zu schnuppern – z.B. bei einer Start-up Safari, bei der „Langen Nacht der Start-Ups“ in Berlin oder beim Lesen von Tony Hsiehs Buch „Delivering Happiness“ bzw. dem Buch von Dark Horse Innovation „Thank God It’s Monday“. Diese sogenannten Best Practice Beispiele können helfen, eigene Unsicherheiten abzubauen und von Lernerfahrungen anderer zu profitieren. Springen Sie also nicht gleich vom 10-Meter-Turm ins kalte Wasser, tasten Sie sich mit den Zehenspitzen langsam an.
Autor*innen: Anna Schulte und Désirée Bösemüller